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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Appell an Deutschland schien im Jahre 1918 vielen Liberalen ebenso unverständlich wie in den ersten Monaten des Jahres 1917 sein Programm der Zerschmetterung Deutschlands. Doch waren es nur zwei Seiten der gleichen Medaille. Im Begriffe, die Alliierten, wie früher Serbien, zu verraten, verriet Miljukow weder sich selbst noch seine Klasse. Er verfolgte ein und dieselbe Politik, und es war nicht seine Schuld, wenn sie nicht schön aussah. Ob er nun unter dem Zarismus die Wege zum Separatfrieden abtastete, um der Revolution auszuweichen, ob er den Krieg bis ans Ende forderte, um mit der Februarrevolution fertigzuwerden, ob er später ein Bündnis mit den Hohenzollern suchte, um die Oktoberrevolution zu stürzen, Miljukow blieb stets in gleicher Weise den Interessen der Besitzenden treu. Wenn er ihnen nicht helfen konnte und jedesmal an eine neue Wand anrannte, so deshalb, weil seine Auftraggeber sich in einer Sackgasse befanden. Was Miljukow in der ersten Zeit nach der Umwälzung besonders gefehlt hat, war ein feindlicher Angriff, ein guter deutscher Schlag gegen den Schädel der Revolution. Zum Unglück waren die Monate März und April aus klimatischen Gründen für Operationen größeren Maßstabs an der russischen Front ungünstig gewesen. Und die Hauptsache war, daß die Deutschen, deren Lage immer schwieriger wurde, nach großen Schwankungen beschlossen hatten, die Russische Revolution ihren inneren Prozessen zu überlassen. Nur der General Linsingen bewies am 20.-21. März am Sto-chod Privatinitiative. Sein Erfolg erschreckte die deutsche Regierung und erfreute gleichzeitig die russische. Mit der gleichen Unverschämtheit, mit der das Hauptquartier unter dem Zaren den geringsten Erfolg übertrieben hatte, bauschte es jetzt die Niederlage am Stochod auf. Ihm folgte die liberale Presse. Fälle von Rückzügen, Panik und Verlusten der russischen Truppen wurden mit dem gleichen Behagen ausgemalt wie früher Gefangene und Trophäen. Bourgeoisie und Generalität gingen sichtbar auf die Position des Defätismus über. Linsingen aber wurde auf einen Befehl von oben her zurückgehalten, und die Front erstarrte wieder in Frühlingsschlamm und Abwarten.
    Die Absicht, sich gegen die Revolution auf den Krieg zu stützen, hätte nur Erfolg haben können, wenn die Mittelparteien, hinter denen die Volksmassen hergingen, bereit gewesen wären, die Rolle der Transmission der liberalen Politik auf sich zu nehmen. Die Idee des Krieges mit der Idee der Revolution zu verbinden, ging über die Kraft des Liberalismus: noch gestern predigte er, die Revolution bedeute die Katastrophe des Krieges. Es war nötig, diese Aufgabe der Demokratie zuzuschieben. Doch durfte man freilich das "Geheimnis" vor ihr nicht enthüllen. Man durfte sie nicht in den Plan einweihen, sondern mußte sie ködern. Man mußte an ihren Vorurteilen, ihrer Prahlerei mit der Staatsweisheit, ihrer Angst vor Anarchie, ihrer abergläubischen Anbetung der Bourgeoisie einhaken.
    In den ersten Tagen wußten die Sozialisten - wir sind gezwungen, die Menschewiki und Sozialrevolutionäre der Kürze halber so zu nennen - nicht, was sie mit dem Kriege anfangen sollten. Tschcheidse seufzte: "Wir haben die ganze Zeit hindurch gegen den Krieg gesprochen, wie kann ich denn jetzt zur Fortsetzung des Krieges aufrufen?" Am 10. März beschloß das Exekutivkomitee, Franz Mehring ein Begrüßungstelegramm zu schicken. Mit dieser kleinen Demonstration versuchte der linke Flügel sein nicht sehr anspruchsvolles sozialistisches Gewissen zu beruhigen. Über den Krieg selbst fuhr der Sowjet fort, zu schweigen. Die Führer fürchteten in dieser Frage einen Konflikt mit der Provisorischen Regierung heraufzubeschwören und die Honigwochen des "Kontaktes" zu trüben. Nicht weniger Angst hatten sie vor Meinungsverschiedenheiten in der eigenen Mitte. Es gab unter ihnen Landesverteidiger und Zimmerwalder. Die einen wie die anderen überschätzten ihre Meinungsverschiedenheiten. Breite Kreise der revolutionären Intelligenz hatten während des Krieges eine gründliche bürgerliche Umwandlung durchgemacht. Der offene oder verschleierte Patriotismus verband die Intelligenz mit den regierenden Klassen und trennte sie von den Massen. Das Banner von Zimmerwald, mit dem sich der linke Flügel umhüllte, verpflichtete wenig, verbarg aber immerhin seine auffällige patriotische Solidarität mit der Rasputinschen Clique. Nun aber war das Romanowsche Regime gestürzt. Rußland war ein demokratisches Land

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