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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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sozialdemokratische Organisation, die den Bolschewiki nahestand, die heikle Frage mit revolutionärer Kühnheit gestellt. "Damit euch der Adel und die Offiziere nicht betrügen können", lautete der von ihr erlassene Aufruf an die Soldaten, "wählt selbst Zug-, Kompanie- und Regimentskommandeure. Nehmt nur die Offiziere auf, die ihr als Freunde des Volkes kennt." Aber was geschah? Die den Verhältnissen völlig entsprechende Proklamation wurde sofort vom Exekutivkomitee beschlagnahmt, und Tschcheidse bezeichnete sie in seiner Rede als Provokation. Wie wir sehen, scheuten sich die Demokraten gar nicht, die Pressefreiheit einzuschränken, wenn es galt, Schläge nach links auszuteilen. Glücklicherweise war ihre eigene Freiheit genügend eingeschränkt. Während die Arbeiter und Soldaten das Exekutivkomitee als ihr höchstes Organ unterstützten, korrigierten sie in allen wichtigsten Momenten die Politik der Leitung durch unmittelbare Einmischung.
    Schon nach wenigen Tagen versuchte das Exekutivkomitee durch einen Befehl Nr. 2 den ersten zu widerrufen, indem es seine Gültigkeit auf den Petrograder Militärbezirk einschränkte. Vergeblich! Der Befehl Nr. 1 war nicht zu erschüttern, denn er hatte nichts erfunden, sondern nur das bekräftigt, was im Hinterlande und an der Front nach außen drängte und Anerkennung verlangte. Den Soldaten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehend, deckten sich sogar die liberalen Deputierten bei Fragen und Vorwürfen mit dem Befehl Nr. 1. In der großen Politik aber wurde der mutige Befehl zum Hauptargument der Bourgeoisie gegen die Sowjets. Die geschlagenen Generale hatten nunmehr in dem Befehl Nr. 1 das Haupthindernis entdeckt, das ihnen verwehrt habe, die deutschen Truppen zu zerschmettern. Als Ursprungsort des Befehls wurde Deutschland bezeichnet. Die Versöhnler wurden nicht müde, sich für Getanes zu rechtfertigen, und erregten die Soldaten, indem sie versuchten, mit der rechten Hand das zu nehmen, was der linken entglitten war.
    Inzwischen verlangte im Sowjet bereits die Mehrheit der Deputierten Wählbarkeit der Kommandeure. Die Demokraten wurden unruhig. Suchanow, der keine besseren Argumente finden konnte, drohte, die Bourgeoisie, der die Macht übergeben war, würde auf Wählbarkeit nicht eingehen. Die Demokraten versteckten sich ungeniert hinter Gutschkows Rücken. Bei diesem Spiel nahmen die Liberalen den gleichen Platz ein, den beim Spiel des Liberalismus die Monarchie einnehmen sollte. "Als ich vom Podium zu meinem Platze ging", erzählt Suchanow, "stieß ich auf einen Soldaten, der mir den Weg versperrte und, vor meinen Augen mit den Fäusten fuchtelnd, wutentbrannt gegen die Herren wetterte, die niemals in der Soldatenhaut gesteckt hätten." Nach diesem "Exzeß" lief unser Demokrat, der seine Fassung endgültig verloren hatte, Kerenski zu suchen, und erst mit dessen Hilfe "wurde die Frage dann irgendwie verwischt". Diese Menschen taten nichts anderes, als Fragen zu verwischen.
    Zwei Wochen lang war es ihnen gelungen, so zu tun, als bemerkten sie den Krieg nicht. Schließlich wurde ein weiteres Hinausschieben unmöglich. Am 4. März brachte das Exekutivkomitee im Sowjet den von Suchanow geschriebenen Entwurf eines Manifestes An die Völker der ganzen Welt ein. Die liberale Presse nannte sehr bald dieses Dokument, das die rechten und linken Versöhnler vereinigte, den "Befehl Nr. 1 auf dem Gebiet der Außenpolitik". Doch diese schmeichelhafte Bezeichnung war ebenso unwahrhaftig wie das Dokument, auf das sie sich bezog. Der Befehl Nr. 1 war eine ehrliche, direkte Antwort der unteren Schichten auf jene Fragen, die die Revolution vor der Armee aufgerichtet hatte. Das Manifest vom 14. März war eine treubrüchige Antwort der oberen Schichten auf Fragen, die ihnen von den Soldaten und Arbeitern ehrlich gestellt worden waren.
    Das Manifest drückte allerdings das Streben nach Frieden aus, und zwar nach einem demokratischen, ohne Annexionen und Kontributionen. Aber diese Phraseologie hatten die Imperialisten des Westens lange vor der Februarrevolution anzuwenden gelernt. Gerade im Namen eines gesicherten, ehrlichen, "demokratischen" Friedens schickte sich Wilson in jenen Tagen an, in den Krieg einzutreten. Der fromme Asquith gab im Parlament eine gelehrte Klassifizierung der Annexionen, aus der sich unzweifelhaft ergab, daß alle jene Annexionen als unsittlich zu verurteilen waren, die den Interessen Großbritanniens widersprachen. Was die französische Diplomatie betrifft, so

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