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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Jahren die Partei verlassen hatten und jetzt, von Lebenserfahrung recht belastet, versuchten, in ihre Reihen zurückzukehren. Krassikow fürchtete sich nicht, den Stier bei den Hörnern zu packen: beabsichtigt ihr etwa, die Diktatur des Proletariats aufzurichten? fragte er ironisch. Die Resolution der Konferenz rief die revolutionäre Demokratie auf die Provisorische Regierung "zum energischen Kampfe für die völlige Liquidierung des alten Regimes" zu bewegen, das heißt, sie wies der proletarischen Partei die Rolle einer Gouvernante der Bourgeoisie zu.
    Am nächsten Tage kam der Antrag Zeretellis über die Vereinigung von Bolschewiki und Menschewiki zur Beratung. Stalin verhielt sich dem Antrag gegenüber absolut positiv: "Wir müssen darauf eingehen. Es ist notwendig, unsere Vorschläge über die Linie der Vereinigung festzulegen. Eine Vereinigung auf der Linie Zimmerwald-Kienthal ist möglich." Molotow, von Kamenjew und Stalin wegen zu radikaler Richtung der Zeitung aus der Redaktion der Prawda entfernt, trat mit dem Einwand auf: Zeretelli wolle die gemischtesten Elemente vereinigen, nenne sich selbst auch einen Zim-merwalder, die Vereinigung auf dieser Linie sei falsch. Stalin jedoch blieb bei seiner Meinung: "Man darf nicht vorauseilen", sagte er, "und den Meinungsverschiedenheiten vorgreifen. Ohne Meinungsverschiedenheiten gibt es kein Parteileben. Innerhalb der Partei werden wir die kleinen Meinungsverschiedenheiten austragen." Der ganze Kampf den Lenin in den Jahren des Krieges gegen Sozialpatriotismus und dessen pazifistische Maskierung geführt hatte, war wie ausgelöscht. Im September 1916 schrieb Lenin mit besonderem Nachdruck an Schljapnikow nach Petrograd: "Versöhnlertum und Vereinigungsidee sind für die Arbeiterpartei in Rußland das Schädlichste, nicht nur Idiotie, sondern Ruin der Partei ... Verlassen können wir uns nur auf jene, die den ganzen Betrug der Idee der Vereinigung und die ganze Notwendigkeit des Bruches mit dieser Kumpanei (Tschcheidse & Co.) in Rußland begriffen haben." Diese Warnung blieb unverstanden. Die Meinungsverschiedenheiten mit Zeretelli, dem Führer des regierenden Sowjetblocks, wurden von Stalin für "kleine" Meinungsverschiedenheiten erklärt, die man innerhalb einer gemeinsamen Partei austragen könne. Dieses Kriterium gibt die beste Bewertung der damaligen Ansichten Stalins.
    Am 4. April erscheint auf der Parteikonferenz Lenin. Seine Rede, die die Thesen kommentiert, fährt über alle Arbeiten der Konferenz hinweg wie der feuchte Schwamm des Lehrers, der von der Tafel alles auswischt, was ein irrender Schuljunge darauf schrieb.
    "Warum wurde die Macht nicht genommen?" fragt Lenin. Auf der Sowjetkonferenz hatte Stecklow kurz vorher die Grunde für die Machtenthaltung wirr auseinanderzusetzen versucht: eine bürgerliche Revolution -, erste Etappe -, Krieg und so weiter. "Das ist Unsinn", erklärt Lenin, "es handelt sich darum, daß das Proletariat nicht genügend aufgeklärt und nicht genügend organisiert ist. Das muß man zugeben. Die materielle Macht ist in den Händen des Proletariats, aber die Bourgeoisie zeigte sich aufgeklärt und vorbereitet. Das ist eine ungeheuerliche Tatsache, doch muß man sie offen und geradeheraus zugeben und dem Volke erklären, daß man die Macht nicht übernommen habe, weil man unorganisiert und unaufgeklärt ist."
    Aus der Ebene des falschen Objektivismus, hinter dem sich die politischen Kapitulanten verstecken, rückte Lenin die Frage auf die subjektive Ebene. Das Proletariat hat im Februar die Macht nicht ergriffen, weil die Partei der Bolschewi-ki nicht auf der Höhe der objektiven Aufgaben war und die Versöhnler nicht zu hindern vermochte, die Volksmassen zugunsten der Bourgeoisie politisch zu expropriieren.
    Am Vorabend hatte der Advokat Krassikow herausfordernd gesagt: "Glauben wir, daß die Zeit für die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats gekommen ist, dann muß man die Frage auch dementsprechend stellen. Die physische Kraft im Sinne der Machtergreifung besitzen wir zweifellos." Der Vorsitzende hatte daraufhin Krassikow das Wort mit der Begründung entzogen, es handle sich um praktische Aufgaben, und die Frage der Diktatur stehe nicht zur Diskussion. Lenin aber meinte, die einzige praktische Aufgabe sei gerade die Frage der Vorbereitung der Diktatur des Proletariats. "Die Eigentümlichkeit des gegenwärtigen Momentes in Rußland", sagte er in den Thesen, "besteht im Übergang von der ersten Etappe der Revolution, die

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