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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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festigen und den Übergang zum sozialistischen Regime sichern.
    Lenins Thesen wurden in seinem eigenen und nur in seinem Namen veröffentlicht. Die zentralen Parteiinstitutionen begegneten ihnen mit Feindseligkeit, die nur durch Fassungslosigkeit gemildert war. Niemand weder eine Organisation, noch eine Gruppe, noch eine Person - schloß sich ihnen durch Unterschrift an. Sogar Sinowjew, der gemeinsam mit Lenin aus dem Auslande angekommen war, wo sich seine Gedanken im Laufe von zehn Jahren unter Lenins unmittelbarem und täglichem Einfluß geformt hatten, trat schweigend beiseite. Und dieser Abgang kam dem Lehrer, der seinen nächsten Schüler nur zu gut kannte, nicht unerwartet. Wenn Kamenjew Propagandist und Popularisator war, so war Si-nowjew Agitator und sogar, nach Lenins Ausdruck, nur Agitator. Um Führer zu sein, fehlte ihm vor allem Verantwortungsgefühl. Aber nicht nur dies. Sein jeder inneren Disziplin bares Denken ist zu theoretischer Arbeit völlig unfähig und geht auf in der formlosen Intuition des Agitators. Dank einem besonders geschärften Instinkt, erfaßte er stets im Fluge die ihm notwendigen Formulierungen, das heißt solche, die auf die Massen die effektvollste Wirkung erleichterten. Als Journalist wie als Redner blieb er unveränderlich Agitator, mit dem Unterschiede, daß in den Artikeln hauptsächlich seine schwachen Seiten hervortreten, während in der mündlichen Rede die starken überwiegen. Verwegener und ungezähmter in der Agitation als sonst jemand von den Bolschewiki, ist Sinowjew noch weniger als Kamenjew zu revolutionärer Initiative fähig. Er ist unentschlossen wie alle Demagogen. Aus der Arena fraktioneller Zusammenstöße in die Arena der unmittelbaren Massenkämpfe hinübergetreten, trennte sich Sinowjew fast unwillkürlich von seinem Lehrer.
    In den letzten Jahren hat es nicht an Versuchen gefehlt, zu beweisen, daß die Aprilkrise der Partei eine flüchtige und fast zufällige Verwirrung gewesen sei. Doch alle zerstäuben sie zu Asche bei der ersten Berührung mit den Tatsachen. [1]
    Schon das, was wir über die Tätigkeit der Partei im Laufe des März wissen, deckt uns den tiefsten Gegensatz zwischen Lenin und der Petrograder Parteileitung auf Gerade im Augenblick des Eintreffens Lenins erreichte der Gegensatz höchste Spannung. Gleichzeitig mit der Allrussischen Konferenz der Vertreter von 82 Sowjets, wo Kamenjew und Stalin für die von den Sozialrevolutionären und Menschewiki eingebrachte Resolution über die Macht stimmten, fand in Petrograd die Parteikonferenz der aus ganz Rußland zusammengekommenen Bolschewiki statt. Für die Charakteristik der Stimmungen und Meinungen der Partei, richtiger ihrer Oberschicht, wie sie aus dem Krieg hervorgegangen war, ist die Konferenz, an deren Schluß Lenin eintraf von ganz besonderem Interesse. Die Lektüre der Protokolle, die bis auf den heutigen Tag nicht veröffentlicht worden sind, ruft nicht selten Zweifel hervor: soll tatsächlich die Partei, von diesen Delegierten vertreten, in sieben Monaten mit eiserner Hand die Macht ergreifen?
    Nach der Umwälzung war schon ein Monat vergangen - für einen Krieg wie für eine Revolution eine lange Frist. In der Partei aber waren noch die Ansichten über die grundlegenden Fragen der Revolution nicht geklärt. Extreme Patrioten, von der Art Wojtinskis, Eliawas und anderer, beteiligten sich an der Konferenz Seite an Seite mit denen, die sich für Internationalisten hielten. Der Prozentsatz der offenen Patrioten, unvergleichlich geringer als bei den Menschewiki, war immerhin bedeutend. Die Konferenz in ihrer Gesamtheit ließ die Frage unentschieden: Spaltung mit den eigenen Patrioten oder Vereinigung mit den Patrioten des Menschewismus. In den Pausen zwischen den Sitzungen der bolschewistischen Konferenz fanden gemeinsame Sitzungen von Bolschewiki und Menschewiki, Delegierten der Sowjetkonferenz, statt, um die Frage des Krieges zu erörtern. Der wütendste menschewistische Patriot, Liber, erklärte auf dieser gemeinsamen Konferenz: "Die frühere Teilung in Bolschewiki und Menschewiki muß beiseitegestellt und es soll nur von unserer Stellung zum Kriege gesprochen werden." Der Bolschewik Wojtinski zögerte nicht, seine Bereitschaft zu proklamieren, jedes Wort Libers zu unterschreiben. Alle zusammen, Bolschewiki und Menschewiki, Patrioten und Internationalisten, suchten eine gemeinsame Formel für ihre Stellung zum Kriege.
    Die Ansichten der bolschewistischen Konferenz fanden ihren zweifellos

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