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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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adäquatesten Ausdruck in Stalins Referat über die Stellung zur Provisorischen Regierung. Es ist nötig, hier den zentralen Gedanken des Referats wiederzugeben, das, wie die Protokolle im ganzen, bis heute nirgendwo veröffentlicht wurde. "Die Macht ist auf zwei Organe aufgeteilt, von denen aber keines die volle Macht innehat. Reibungen und Kampf zwischen ihnen bestehen und müssen bestehen. Die Rollen sind verteilt. Der Sowjet hat faktisch die Initiative revolutionärer Umgestaltungen ergriffen. Der Sowjet ist der revolutionäre Führer des aufständischen Volkes, ein die Provisorische Regierung kontrollierendes Organ. Die Provisorische Regierung dagegen hat faktisch die Rolle des Befestigers der Errungenschaften des revolutionären Volkes übernommen. Der Sowjet mobilisiert und kontrolliert die Kräfte. Die Provisorische Regierung dagegen erfüllt widerstrebend und irrend die Rolle des Befestigers jener Errungenschaften des Volkes, die dieses sich bereits faktisch genommen hat. Dieser Zustand hat positive, aber auch negative Seiten: es ist für uns jetzt nicht von Vorteil, die Ereignisse zu forcieren, indem wir den Prozeß der Abstoßung bürgerlicher Schichten beschleunigen, die sich in der Folge unvermeidlich von uns trennen müssen."
    Das Verhältnis zwischen Bourgeoisie und Proletariat stellt der Referent, der sich über die Klassen erhebt als einfache Arbeitsteilung dar. Die Arbeiter und Soldaten vollbringen die Revolution, Gutschkow und Miljukow "festigen" sie. Wir erkennen hier die traditionelle Konzeption des Menschewismus, eine schlechte Kopie der Ereignisse des Jahres 1789. Gerade den Führern des Menschewismus ist dieses inspektorhafte Herangehen an den historischen Prozeß eigen, die Erteilung von Befehlen an verschiedene Klassen und die gönnerhafte Kritik an deren Ausführung. Der Gedanke, daß es unvorteilhaft sei, den Rückzug der Bourgeoisie von der Revolution zu beschleunigen, war stets das höchste Kriterium der gesamten Politik der Menschewiki gewesen. In der Tat bedeutete es: Abstumpfung und Schwächung der Massenbewegung, um die liberalen Verbündeten nicht abzuschrecken. Schließlich deckten sich Stalins Folgerungen in bezug auf die Provisorische Regierung völlig mit der zweideutigen Formel der Versöhnler: "Sofern die Provisorische Regierung die Schritte der Revolution festigt, ist sie zu unterstützen; sofern sie konterrevolutionär ist, ist eine Unterstützung der Provisorischen Regierung unzulässig."
    Das Referat Stalins wurde am 29. März gehalten. Am nächsten Tage entwarf der offizielle Berichterstatter der Sowjetkonferenz, der parteilose Sozialdemokrat Stecklow, zur Verteidigung der gleichen bedingten Unterstützung der Provisorischen Regierung in der Hitze der Ekstase ein solches Bild von der Tätigkeit der "Befestiger" der Revolution - Widerstand gegen soziale Reformen, Neigung zur Monarchie, Begönnerung konterrevolutionärer Kräfte, annexionistische Appetite -, daß die Konferenz der Bolschewiki vor der Formel der Unterstützung beunruhigt zurückprallte. Der rechte Bolschewik Nogin erklärte: "Das Referat Stecklows hat einen neuen Gedanken hineingebracht: es ist offenbar, daß jetzt nicht von einer Unterstützung, sondern vom Widerstand die Rede sein muß." Skrypnik kam ebenfalls zu dem Schluß, nach dem Referat von Stecklow "hat sich vieles verändert: von der Unterstützung der Regierung kann nicht mehr gesprochen werden. Es gibt eine Verschwörung der Provisorischen Regierung gegen Volk und Revolution". Stalin, der tags zuvor ein idyllisches Bild der "Arbeitsteilung" zwischen Regierung und Sowjet gemalt hatte, sah sich gezwungen, den Punkt der Unterstützung zu streichen. Die kurzen und sehr wenig tiefen Diskussionen drehten sich um die Frage: ist die Provisorische Regierung "insofern wie", oder sind nur ihre revolutionären Aktionen zu unterstützen. Der Delegierte von Saratow, Wassiljew, erklärte nicht ohne Grund: "Die Stellung zur Provisorischen Regierung ist bei allen die gleiche." Krestinski formulierte die Situation noch krasser: "In praktischen Schritten gibt es zwischen Stalin und Wo-jtinski keine Meinungsverschiedenheiten." Obwohl Wojtinski sogleich nach der Konferenz zu den Menschewiki überging, hatte Krestinski gar nicht so unrecht: indem Stalin die offene Erwähnung der Unterstützung zurücknahm, strich er die Unterstützung an sich nicht. Prinzipiell die Frage zu stellen, versuchte nur Krassikow, einer jener alten Bolsche-wiki, die für eine Reihe von

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