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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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behaupte, niemand hatte so etwas erwartet. Es schien, als hätten sich alle Elemente aus ihren Höhlen erhoben, und der Geist der Vernichtung, der keine Grenzen, keine Zweifel, keine menschlichen Schwierigkeiten, keine menschlichen Berechnungen kennt, schwebe im Saale der Ksche-sinskaja über den Häuptern der verzauberten Schüler."
    Menschliche Berechnungen und Schwierigkeiten, das sind für Suchanow hauptsächlich die Schwankungen des Redaktionskreises um die Nowaja Schisn, während des Tees bei Maxim Gorki. Die Berechnungen Lenins waren tieferer Natur. Nicht Elemente schwebten im Saale, sondern der menschliche Gedanke, vor den Elementen nicht erschrocken, sondern bestrebt, sie zu begreifen, um sie zu beherrschen. Aber immerhin: der Eindruck ist grell wiedergegeben.
    "Als ich mit den Genossen hierher fuhr", sagte Lenin nach Suchanows Wiedergabe, "dachte ich, man würde uns vom Bahnhof direkt in die Peter-Paul-Festung bringen. Wie wir sehen, sind wir sehr weit davon entfernt. Doch wollen wir die Hoffnung nicht verlieren, daß das an uns nicht vorbeigehen wird, daß wir es nicht werden vermeiden können." Während für die anderen die Entwicklung der Revolution gleichbedeutend mit der Befestigung der Demokratie war, führte für Lenin die nächste Perspektive direkt in die Peter-Paul-Festung. Das klang wie ein unheilkündender Scherz. Doch dachte Lenin, und gemeinsam mit ihm die Revolution, durchaus nicht daran, zu scherzen.
    "Die Agrarreform auf gesetzgebendem Wege", klagt Suchanow, "schleuderte er ebenso weg wie die übrige feste Politik des Sowjets. Er verkündete die organisierte Aneignung des Landes durch die Bauern, ohne auf irgendwelche Staatsmacht ... zu warten."
    "Wir brauchen keine parlamentarische Republik, wir brauchen keine bürgerliche Demokratie, wir brauchen keinerlei Regierung außer den Sowjets der Arbeiter, Soldaten und Landarbeiterdeputierten!"
    Gleichzeitig grenzte sich Lenin schroff gegen die Sowjetmehrheit ab, diese in das feindliche Lager verweisend. "Dies allein genügte in jener Zeit, daß den Zuhörern schwindlig wurde!"
    "Nur die Zimmerwalder Linke steht auf der Wacht der proletarischen Interessen und der Weltrevolution", gibt Suchanow empört die Leninschen Gedanken wieder. "Die übrigen sind die gleichen Opportunisten, die gute Worte sprechen, in der Tat aber ... die Sache des Sozialismus und der Arbeitermassen verraten."
    "Entschieden geißelte er die Taktik, die die leitenden Parteigruppen und einzelne Genossen bis zu seiner Ankunft verfolgt hatten", ergänzt Raskolnikow Suchanow. "Hier waren die verantwortlichsten Parteiarbeiter vertreten. Aber auch ihnen kam die Rede Iljitschs als eine wahre Offenbarung. Sie hatte den Rubikon gezogen zwischen der Taktik des gestrigen und des heutigen Tages."
    Diskussionen über das Referat gab es nicht: alle waren zu betäubt, und jeder wollte erst seine Gedanken sammeln. "Ich ging auf die Straße hinaus", schließt Suchanow, "ich hatte das Gefühl, als wäre ich in dieser Nacht mit Ketten auf den Kopf geschlagen worden. Klar war nur das eine: nein, mit Lenin habe ich, der Wilde, keinen gemeinsamen Weg!" Allerdings!
    Am nächsten Tage präsentierte Lenin der Partei eine kurze schriftliche Darstellung seiner Ansichten, die, unter dem Namen Thesen vom 4. April, eines der wichtigsten Dokumente der Revolution geworden sind. Die Thesen gaben einfache Gedanken in einfachen, allen verständlichen Worten wieder. Die Republik, die aus dem Februaraufstand hervorgegangen ist, ist nicht unsere Republik, und der Krieg, den sie führt, nicht unser Krieg. Die Aufgabe der Bolschewiken besteht darin, die imperialistische Regierung zu stürzen. Doch hält diese sich durch die Unterstützung der Sozialrevolutionäre und Menschewiki, die sich auf das Vertrauen der Volksmassen stützen. Wir sind in der Minderheit. Unter diesen Bedingungen kann von Gewalt unsererseits nicht die Rede sein. Man muß die Massen lehren, den Versöhnlern und Landesverteidigern zu mißtrauen. "Man muß geduldig aufklären." Der Erfolg einer solchen Politik, die sich aus der gesamten Situation ergibt, ist gesichert und wird uns zur Diktatur des Proletariats führen, also folglich über die Grenzen des bürgerlichen Regimes hinaus. Wir wollen restlos mit dem Kapital brechen, seine Geheimverträge veröffentlichen und die Arbeiter der ganzen Welt zum Bruch mit der Bourgeoisie und zur Liquidierung des Krieges aufrufen. Wir beginnen die internationale Revolution. Nur ihr Erfolg wird unseren Erfolg

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