Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Russische übersetzen könnte. Diese Tatsache zeigt den ganzen Umfang des Mißtrauens der Soldatenmasse zur Führung, sei es jetzt die alte, sei es die neue vom Februar. Die jahrhundertelang erduldeten Verhöhnungen und Mißhandlungen drangen vulkanisch nach außen. Die Soldaten fühlten sich wiederum betrogen. Die Offensive führte nicht zum Frieden, sondern zum Krieg. Die Soldaten aber wollten keinen Krieg. Und sie hatten recht. Die im Hinterlande verkrochenen Patrioten hetzten und brandmarkten die Soldaten als Drückeberger. Doch die Soldaten hatten recht. Es leitete sie ein richtiger nationaler Instinkt, hervorgebrochen aus dem Bewußtsein unterjochter, betrogener, geschundener, von revolutionärer Hoffnung aufgerichteter und wieder in den blutigen Trog hinabgestürzter Menschen. Die Soldaten hatten recht. Die Fortsetzung des Krieges konnte dem russischen Volke nichts bringen als neue Opfer, Erniedrigungen, Nöte, nichts als Verschärfung der inneren und äußeren Knechtschaft.
Die patriotische Presse, nicht nur die kadettische, sondern auch die sozialistische, war im Jahre 1917 darin unermüdlich, den russischen Soldaten, den Deserteuren und Feiglingen die heroischen Bataillone der Großen Französischen Revolution gegenüberzustellen. Diese Gegenüberstellungen verraten nicht nur Unverständnis für die Dialektik des revolutionären Prozesses, sondern auch völlige historische Unbildung.
Die hervorragenden Feldherren der Französischen Revolution und des Imperiums begannen stets als Disziplinbrecher und Desorganisatoren; Miljukow würde sagen, als Bolschewiki. Der spätere Marschall Davout zersetzte als Leutnant d'Avoust in den Jahren 1789-1790 monatelang die "normale" Disziplin in der Garnison Aisdenne, indem er die Vorgesetzten verjagte. In ganz Frankreich vollzog sich bis Mitte des Jahres 1790 der Prozeß des völligen Verfalls der alten Armee. Die Soldaten des Vincenner Regiments zwangen die Offiziere, gemeinsam mit ihnen zu speisen. Die Flotte jagte ihre Offiziere davon. In 20 Regimentern wurden Gewaltakte gegen den Kommandobestand verübt. In Nancy sperrten drei Regimenter ihre Offiziere ins Gefängnis. Seit 1790 wurden die Führer der Französischen Revolution nicht müde, anläßlich der militärischen Exzesse zu wiederholen: "Die Exekutivmacht trägt die Schuld, da sie die Offiziere, die der Revolution feindlich sind, nicht absetzt." Es ist bemerkenswert, daß für die Auflösung des alten Offizierskorps sowohl Mirabeau wie Robespierre plädierten. Der eine beabsichtigte, so schnell wie möglich die feste Disziplin aufzurichten. Der andere wollte die Konterrevolution entwaffnen. Beide aber hatten begriffen: das Leben der alten Armee war zu Ende.
Allerdings vollzog sich die Russische Revolution zum Unterschiede von der Französischen während des Krieges. Daraus aber ergibt sich keineswegs eine Ausnahme für das von Engels abgeleitete historische Gesetz. Im Gegenteil, die Bedingungen des langwierigen und unglücklichen Krieges vermochten den Prozeß der revolutionären Auflösung der Armee nur zu beschleunigen und zu verschärfen. Die mißglückte und verbrecherische Offensive der Demokratie tat das übrige. Jetzt sagten die Soldaten bereits allgemein: "Genug des Blutvergießens! Wozu Freiheit und Boden, wenn wir nicht da sein werden?" Wenn die erleuchteten Pazifisten den Versuch unternehmen, den Krieg mittels rationalistischer Argumente abzuschaffen, wirken sie einfach lächerlich. Wenn aber die bewaffneten Massen beginnen, Argumente der Vernunft gegen den Krieg anzuführen, dann bedeutet dies das Ende des Krieges.
Kapitel 20: Die Bauernschaft
Das Fundament der Revolution bildete die Agrarfrage. In den archaischen Rechtsverhältnissen auf dem Lande, die unmittelbar aus der Leibeigenschaft hervorgegangen waren, in der traditionellen Gewalt des Gutsbesitzers, in den engen Banden zwischen Gutsbesitzer, Lokaladministration und ständischer Landesverwaltung wurzelten die barbarischsten Erscheinungen des russischen Lebens, gekrönt durch die Rasputinsche Monarchie. Der Muschik, der die Stütze des jahrhundertealten Asiatentums darstellte, war gleichzeitig eines seiner ersten Opfer.
In den ersten Wochen nach der Februarumwälzung blieb das Dorf fast völlig reglos. Die aktivsten Jahrgänge befanden sich an der Front. Die älteren Generationen, die zu Hause geblieben waren, erinnerten sich nur zu gut an die Strafexpe-ditionen als das Ende der Revolution. Das Dorf schwieg, deshalb schwieg auch die Stadt
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