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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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hervor. Die Streikbewegung wächst in diesen Jahren um das doppelte an. Zusammenstöße mit der Polizei begleiten jeden größeren und hartnäckigeren Streik. Zu den Truppen verhalten sich die Arbeiter mit demonstrativem Wohlwollen, und die Ochrana registriert mehr als einmal diese besorgniserregende Tatsache.
    Die Kriegsindustrie quoll auf, indem sie ringsum alle Hilfsmittel verschlang und ihre eigenen Grundlagen zu untergraben begann. Die Friedenszweige der Industrie waren im Absterben. Aus der Wirtschaftsregulierung wurde trotz allen Plänen nichts. Die Bürokratie, bei dem Widerstand der mächtigen Kriegsindustriekomitees bereits außerstande, die Sache in ihre Hände zu nehmen, war indes gleichzeitig nicht gewillt, der Bourgeoisie die regulierende Rolle zu überlassen. Das Chaos wuchs. Fähige Arbeiter wurden durch unfähige ersetzt. Die Kohlengruben, Fabriken und Werkstätten in Polen waren bald verloren. Während des ersten Kriegsjahres kam etwa ein Fünftel der gesamten Industriekräfte des Landes in Wegfall. Bis zu 50% der Gesamtproduktion gingen für die Bedürfnisse des Krieges und der Armee auf, darunter bis zu 75% der im Lande erzeugten Textilwaren. Der überlastete Transport war außerstande, den Fabriken das notwendige Heiz- und Rohmaterial zuzustellen. Der Krieg verschlang nicht nur das gesamte flüssige Nationaleinkommen, sondern ging auch ernstlich daran, das Grundkapital des Landes zu vergeuden.
    Die Industriellen waren immer weniger zu Konzessionen an die Arbeiter bereit, während die Regierung jeden Streik in alter Weise mit strengen Repressalien beantwortete. All das stieß den Gedanken des Arbeiters vom Einzelnen zum Allgemeinen, von der Ökonomik zur Politik. "Es müssen alle auf einmal streiken." So entsteht die Idee des Generalstreiks. Der Prozeß der Radikalisierung der Massen spiegelt sich am überzeugendsten in der Streikstatistik wider. Im Jahre 1915 beteiligen sich an politischen Streiks zweieinhalbmal weniger Arbeiter - als an ökonomischen Konflikten, im Jahre 1916 zweimal weniger; in den ersten zwei Monaten des Jahres 1917 erfassen politische Streiks bereits sechsmal soviel Arbeiter als ökonomische Streiks. Die Rolle Petrograds wird durch eine Ziffer gezeigt: Während der Kriegsjahre entfallen auf seinen Teil 72% der politisch Streikenden!
    Im Feuer des Kampfes verbrennt nicht wenig alter Aberglaube. "Mit Schmerz" meldet die Ochrana: Wollte man den Forderungen des Gesetzes entsprechend reagieren, auf "alle Fälle frecher und offener Majestätsbeleidigung, die Zahl der Prozesse nach Paragraph 103 würde eine nie dagewesene Ziffer erreichen". Allein das Bewußtsein der Massen bleibt dennoch hinter ihrer eigenen Bewegung zurück. Der schreckliche Druck des Krieges und des Zerfalls beschleunigt den Kampfprozeß derart, daß breite Arbeitermassen bis zum Moment der Umwälzung keine Zeit finden, sich von vielen Ansichten und Vorurteilen, die sie aus dem Dorfe oder dem kleinbürgerlichen Hause der Stadt mitbrachten, zu befreien. Diese Tatsache wird den ersten Monaten der Februarrevolution ihren Stempel aufdrücken.
    Gegen Ende 1916 steigen die Preise sprunghaft. Zu Inflation und Transportzerrüttung gesellt sich direkter Warenmangel. Der Verbrauch der Bevölkerung vermindert sich zu dieser Zeit um mehr als die Hälfte. Die Kurve der Arbeiterbewegung steigt schroff nach oben. Mit dem Oktober tritt die Bewegung in Petrograd in das entscheidende Stadium ein und vereinigt alle Arten der Unzufriedenheit: Petrograd nimmt den Anlauf zur Februarrevolution. Eine Versammlungswelle rollt durch die Betriebe. Die Themen sind: Ernährung, Teuerung, Krieg, Regierung. Es werden bolschewistische Flugblätter verteilt. Politische Streiks beginnen. Nach dem Verlassen der Betriebe finden improvisierte Demo n-strationen statt. Es werden Fälle von Verbrüderung einzelner Betriebe mit Soldaten beobachtet. Ein stürmischer Proteststreik entbrennt gegen das Gericht über die revolutionären Matrosen der baltischen Flotte. Der französische Gesandte macht den Premier Stürmer auf die ihm bekanntgewordenen Tatsachen aufmerksam, daß Soldaten auf die Polizei geschossen hätten. Stürmer beruhigt den Gesandten: "Die Repression wird erbarmungslos sein." Im November wird eine große Gruppe dienstpflichtiger Arbeiter aus den Petrograder Betrieben herausgezogen, uni an die Front g3-schickt zu werden. Das Jahr endet in Sturm und Gewitter.
    Die Lage mit dem Jahre 1905 vergleichend, kommt der Direktor des

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