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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Vorteil gereichte. Die Volkstümlerintelligenz, die in der Bauernkooperative ihre Hauptkräfte konzentrierte, hatte schließlich ihre Liebe zum Volke auf ein solides bürgerliches Geleise geschoben. Damit wurde im besonderen der Block der "antikapitalistischen" Partei der Sozialrevolutionäre mit der par excellence kapitalistischen Partei der Kadetten vorbereitet.
    Während der Liberalismus den Schein einer Opposition in bezug auf die Agrarpolitik der Reaktion wahrte, blickte er jedoch mit größter Hoffnung auf die kapitalistische Vernichtung der Dorfgemeinde. "Im Dorfe wächst eine mächtige Kleinbourgeoisie heran", schrieb der liberale Fürst Trubetzkoi, "die ihrem gesamten Wesen und ihrer Zusammensetzung nach in gleicher Weise den Idealen des vereinigten Adels wie den sozialistischen Schwärmereien fremd gegenüber steht."
    Aber diese großartige Medaille hatte eine Kehrseite. Aus der Dorfgemeinde sonderte sich nicht nur eine "mächtige Kleinbourgeoisie", sondern auch ihr Antipode aus. Die Zahl der Bauern, die ihre lebensunfähigen Anteile verkauft hatten, erreichte zu Kriegsbeginn eine Million, was nicht weniger als fünf Millionen Seelen proletarisierter Bevölkerung bedeutete. Einen reichlichen Explosivstoff bildeten auch die Millionen verarmter Bauern, denen nichts weiter übrigblieb, als sich an ihre Hungeranteile zu klammem. In der Bauernschaft wiederholten sich folglich jene Gegensätze, die in Rußland die Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft als Ganzes so früh untergraben hatten. Die neue Dorfbourgeoisie, die den alten und mächtigeren Besitzern eine Stütze hätte werden sollen, erwies sich den Kernmassen der Bauernschaft gegenüber ebenso feindlich wie die alten Besitzer dem Volke überhaupt. Ehe sie eine feste Ordnungsstütze wurde, benötigte die Bauernbourgeoisie selbst einer festen Stütze, um sich auf den eroberten Positionen halten zu können. Unter diesen Umständen ist es nicht verwunderlich, daß die Agrarfrage in sämtlichen Reichsdumas ihre Schärfe behielt. Alle fühlten, daß das letzte Wort noch nicht gesprochen war. Der Bauerndeputierte Petritschenko erklärte einmal von der Dumatribüne aus: "Soviel ihr auch diskutieren mögt, einen anderen Erdball werdet ihr nicht schaffen. Folglich wird man uns diese Erde geben müssen." Dieser Bauer war weder Bolschewik noch Sozialrevolutionär; im Gegenteil, das war ein Deputierter der Rechten, ein Monarchist.
    Die Agrarbewegung, die wie der Streikkampf der Arbeiter am Ende des Jahres 1907 verstummte, lebt 1908 zum Teil wieder auf und steigert sich in den folgenden Jahren. Allerdings wird der Kampf hauptsächlich in das Innere der Gemeinde verlegt; darin bestand ja die politische Berechnung der Reaktion. Bewaffnete Zusammenstöße der Bauern bei der Aufteilung des Gemeindelandes sind nicht selten. Aber auch der Kampf gegen den Gutsbesitzer erstirbt nicht. Die Bauern stecken häufig Gehöfte, Ernte, Heu der Adligen in Brand und verschonen dabei auch die Siedler nicht, die sich gegen den Willen der Gemeindebauern ausgesondert hatten.
    In diesem Zustande wurde die Bauernschaft vom Kriege überrascht. Die Regierung führte etwa zehn Millionen A - -beitskräfte und annähernd zwei Millionen Pferde aus dem Dorfe weg. Die schwachen Wirtschaften wurden noch schwächer. Die Zahl der nichtbestellenden Bauern nahm zu. Aber auch mit den Mittelbauern ging es in dem zweiten Kriegsjahre bergab. Die feindselige Haltung der Bauernschaft zum Kriege nahm von Monat zu Monat zu. Im Oktober
    1916 berichtet die Petrograder Gendarmerieverwaltung, daß man im Dorfe an den Sieg im Krieg schon nicht mehr glaube: nach den Worten der Versicherungsagenten, der Lehrer, Händler und so weiter "warten alle nur darauf, wann dieser verfluchte Krieg schließlich enden wird" ... Und mehr noch: "Überall werden politische Fragen diskutiert, werden gegen Gutsbesitzer und Kaufleute gerichtete Bestimmungen getroffen, Zellen verschiedenster Organisationen gebildet ... Ein vereinigendes Zentrum gibt es vorläufig nicht, es ist jedoch anzunehmen, daß die Bauern sich vermittels der Kooperativen, die stündlich in ganz Rußland wachsen, vereinigen werden." Manches darin ist übertrieben, manches haben die Gendarme vorweggenommen, aber das Wesentliche ist zweifellos richtig angegeben.
    Die besitzenden Klassen konnten nicht übersehen, daß das Dorf seine Rechnung präsentieren werde, aber sie verscheuchten die düsteren Gedanken in der Hoffnung, irgendwie doch herauszukommen. Der

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