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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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selten in den vordersten Reihen.
    Im Vergleich zum ersten Halbjahr 1914 bedeutet die Bewegung, was Kraft des Ansturms und Klarheit der Parolen betrifft, einen großen Schritt rückwärts. Nicht verwunderlich: in den Kampf werden zu bedeutendem Teil Rohmassen hineingezogen bei völliger Zersplitterung der führenden Arbeiterschicht. Nichtsdestoweniger kündet sich schon in den ersten Streiks während des Krieges das Herannahen großer Kämpfe an. Justizminister Chwostow erklärte am 16. August: "Wenn jetzt keine bewaffneten Aktionen der Arbeiter stattfinden, so ausschließlich deshalb, weil sie keine Organisationen besitzen." Noch deutlicher drückte sich Goremykin aus: "Die Frage liegt bei den Arbeiterführern nur am Fehlen der Organisation, die durch die Verhaftung der fünf Dumamitglieder zerschlagen wurde." Der Innenminister fügte hinzu: "Die Dumamitglieder (Bolschewiki) darf man nicht amnestieren, sie sind das organisierende Zentrum der Arbeiterbewegung in ihren gefährlichsten Äußerungen." Diese Menschen täuschten sich jedenfalls nicht darin, wo der wahre Feind war.
    Während das Ministerium sogar im Augenblick höchster Verwirrung und Geneigtheit zu liberalem Entgegenkommen es als notwendig erachtete, der Arbeiterrevolution Schläge aufs Haupt, das heißt auf die Bolschewiki zu versetzen, bemühte sich die Großbourgeoisie, eine Arbeitsgemeinschaft mit den Menschewiki anzubahnen. Erschrocken über das Ausmaß der Streiks, machten die liberalen Industriellen den Versuch, den Arbeitern patriotische Disziplin aufzuerlegen, indem sie deren Wahlmänner in die Kriegsindustriekomitees einbezogen. Der Innenminister beklagte sich darüber, daß es sehr schwer sei, gegen Gutschkows Einfälle zu kämpfen: "Die ganze Sache segle unter patriotischer Flagge und im Interesse der Landesverteidigung." Man muß jedoch feststellen, daß die Polizei selbst es vermied, die Sozialpatrioten zu verhaften, da sie in ihnen indirekte Kampfverbündete gegen Streiks und revolutionäre "Exzesse" erblickte. Auf dem übergroßen Vertrauen zur Macht des patriotischen Sozialismus gründete sich die Überzeugung der Ochrana, daß, solange der Krieg dauert, es keinen Aufstand geben werde.
    Bei den Wahlen zu den Kriegsindustriekomitees erwiesen sich die Vaterlandsverteidiger, mit dem energischen Metallarbeiter Gwosdjew an der Spitze - wir werden ihm später als Arbeitsminister in der Koalitionsregierung der Revolution begegnen - in der Minderheit. Sie benutzten jedoch die Unterstützung nicht nur der liberalen Bourgeoisie, sondern auch der Bürokratie, um die Boykottanhänger, geführt von den Bolschewiki, niederzuhalten und dem Petersburger Proletariat eine Vertretung in den Organen des Industriepatriotismus aufzuzwingen. Die Stellung der Menschewiki kam klar zum Ausdruck in einer Rede, mit der sich später einer ihrer Vertreter an die Industriellen im Komitee wandte: "Ihr müßt fordern, daß die heute bestehende bürokratische Regierung von der Bildfläche verschwindet und ihren Platz euch als den Erben des bestehenden Regimes überläßt." Die junge politische Freundschaft wuchs nicht nur täglich, sondern stündlich. Nach der Umwälzung wird sie ihre reifen Früchte bringen.
    Der Krieg richtete im unterirdischen Lager schreckliche Verwüstungen an. Eine zentralisierte Parteiorganisation besaßen die Bolschewiki nach der Verhaftung der Dumafraktion nicht. Die Lokalkomitees führten ein episodisches Dasein und waren häufig ohne Verbindung mit den Bezirken. Es arbeiteten nur vereinzelte Gruppen, Zirkel und Personen. Aber die einsetzende Belebung des Streikkampfes verlieh ihnen in den Betrieben Mut und Kraft. Allmählich fanden sie einander und stellten Bezirksverbindungen her. Die unterirdische Arbeit erstand wieder. Im Polizeidepartement schrieb man später: "Die Leninisten, hinter denen in Rußland die überwiegende Mehrheit der illegalen sozialdemokratischen Organisationen steht, haben seit Kriegsbeginn in ihren größeren Zentren (wie Petrograd, Moskau, Charkow, Kiew, Tula, Kostroma, Gouvernement Wladimir, Samara) eine bedeutende Anzahl revolutionärer Aufrufe herausgegeben mit der Forderung nach Kriegseinstellung, Sturz der bestehenden Regierung und Errichtung der Republik, wobei diese Arbeit als greifbare Resultate Arbeiterstreiks und Unruhen zur Folge hatte."
    Der traditionelle Gedenktag der Arbeiterprozession zum Winterpalais, der im Jahre vorher fast unbeachtet verlaufen war, ruft am 9. Januar 1916 einen umfangreichen Streik

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