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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Juni, gleich nachdem das neue Betriebskomitee, in der Mehrzahl aus Bolschewiki bestehend, gewählt war, wurde eine Abteilung von 80 Mann formiert, die unter Leitung eines alten Soldaten, des Genossen Lewakow, mangels Waffen mit Stöcken ausgebildet wurde."
    Die Presse beschuldigte die Miliz der Gewaltakte, Requisitionen und ungesetzlicher Verhaftungen. Zweifellos wandte die Miliz Gewalt an: gerade dazu war sie ja gebildet worden. Ihr Verbrechen jedoch bestand darin, daß sie Gewalt gegen Vertreter jener Klasse anwandte, die nicht gewohnt war und sich nicht gewöhnen wollte, Objekt der Gewalt zu sein.
    Auf dem Putilow-Werk, das im Kampfe um die Erhöhung des Arbeitslohnes die Führerrolle spielte, versammelte sich am 23. Juni eine Konferenz unter Beteiligung von Vertretern des Zentralsowjets der Betriebskomitees, des Zentralbüros der Gewerkschaften und 73 Fabriken. Unter dem Einfluß der Bolschewiki nahm die Konferenz eine Resolution an, wonach der Streik des Betriebes unter den gegebenen Verhältnissen zu einem "unorganisierten politischen Kampf der Petrograder Arbeiter" führen könne, und schlug deshalb den Putilow-Arbeitern vor, "ihre berechtigte Empörung zurückzuhalten" und sich auf ein allgemeines Hervortreten vorzubereiten.
    Am Vorabend dieser wichtigen Konferenz warnte die bolschewistische Fraktion das Exekutivkomitee: "Eine vierzigtausendköpfige Masse ... kann jeden Tag in den Streik treten und auf die Straße gehen. Sie wäre bereits auf die Straße gegangen, wenn unsere Partei sie nicht davon zurückgehalten hätte, wobei keine Garantie besteht, daß es auch fernerhin gelingen wird, sie zurückzuhalten. Das Hervortreten der Putilow-Arbeiter würde unvermeidlich - daran kann kein Zweifel bestehen -, das Hervortreten der Mehrheit der Arbeiter und Soldaten zur Folge haben."
    Die Führer des Exekutivkomitees betrachteten solche Warnungen als Demagogie oder überhörten sie einfach; sie wollten in ihrer Ruhe nicht gestört werden. Sie selbst hatten fast völlig aufgehört, Fabriken und Kasernen zu besuchen, da die Arbeiter und Soldaten in ihnen nur noch feindselige Gestalten erblickten. Nur die Bolschewiki genossen jene Autorität, die ihnen gestattete, die Arbeiter und Soldaten von zersplitterten Aktionen zurückzuhalten. Doch die Ungeduld der Massen wandte sich manchmal auch schon gegen die Bolschewiki.
    In den Fabriken und in der Flotte tauchten Anarchisten auf. Wie immer angesichts großer Ereignisse und großer Massen, enthüllten sie ihre organische Unzulänglichkeit. Sie konnten um so leichter die Staatsmacht verneinen, da sie die Bedeutung der Sowjets als Organe des neuen Staates ganz und gar nicht begriffen. Übrigens schwiegen sie sich, von der Revolution betäubt, zumeist über die Staatsfrage einfach aus. Ihre Selbständigkeit offenbarten sie hauptsächlich auf dem Gebiet kleiner Raketenschüsse. Die ökonomische Sackgasse und die wachsende Erbitterung der Petrograder Arbeiter verschafften den Anarchisten einige Stützpunkte. Unfähig, ernsthaft das Kräfteverhältnis im Staatsmaßstabe einzuschätzen, bereit, jeden Stoß von unten als den letzten rettenden Schlag zu betrachten, beschuldigten sie häufig die Bolschewiki der Zaghaftigkeit und sogar des Versöhnlertums. Doch über Murren gingen sie gewöhnlich nicht hinaus. Der Widerhall der Massen auf die anarchistischen Aktionen diente den Bolschewiki mitunter als Gradmesser des Kräftedrucks des revolutionären Dampfes.
    Die Matrosen, die Lenin auf dem Finnländischen Bahnhof einen Empfang bereitet hatten, erklärten zwei Wochen später unter dem patriotischen Ansturm, der von allen Seiten auf sie eindrang: "Hätten wir gewußt ... auf welchem Wege er zu uns gelangt ist, es wären anstatt begeisterter "Hurra"-Schreie unsere empörten Rufe ertönt: "Nieder! Zurück in das Land, durch das du zu uns gekommen bist" ..." Die Soldatensowjets in der Krim drohten einer nach dem anderen, das Eindringen Lenins auf die patriotische Halbinsel, wohin zu reisen er gar nicht beabsichtigte, mit bewaffneter Hand zu verhindern. Das Wolynski-Regiment, der Koryphäe des 27. Februar, beschloß sogar in der Erregung, Lenin zu verhaften, so daß das Exekutivkomitee sich veranlaßt fühlte, Maßnahmen dagegen zu treffen. Stimmungen dieser Art hatten sich bis zur Junioffensive nicht restlos verloren, und ihre Rückfälle flammten nach den Julitagen grell auf Gleichzeitig redeten die Soldaten der entlegensten Garnisonen und der fernsten Frontabschnitte immer kühner in

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