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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Bolschewiki. In allen Fällen, wo es sieh um Lebensinteressen handelte, mußten sich die Arbeiter überzeugen, daß die Bolschewiki keine Hintergedanken hatten, nichts verheimlichten und daß man sich auf sie verlassen konnte. In Stunden der Konflikte strebten alle Arbeiter, Parteilose, Sozialrevolutionäre, Menschewiki, den Bolschewiki zu. Dies erklärt jene Tatsache, daß die Betriebskomitees, die den Kampf für die Existenz ihrer Betriebe gegen die Sabotage der Administration und der Besitzer führten, lange vor dem Sowjet zu den Bolschewiki übergegangen waren. Auf der Konferenz der Betriebskomitees von Petrograd und Umgebung stimmten Anfang Juni von 421 Delegierten 335 für die bolschewistische Resolution. Diese Tatsache blieb von der großen Presse ganz unbemerkt. Indes bedeutete sie, daß das Petrograder Proletariat, bevor es noch mit den Versöhnlern gebrochen hatte, in allen Kernfragen des ökonomischen Lebens faktisch auf die Seite der Bolschewiki übergegangen war.
    Auf der Junikonferenz der Gewerkschaften wurde festgestellt, daß es in Petrograd über fünfzig Gewerkschaftsverbände mit einer Gesamtzahl von mindestens 250.000 Mitgliedern gab. Der Metallarbeiterverband zählte annähernd 100.000 Arbeiter. Im Laufe des einen Monats Mai hatte sich seine Mitgliederzahl verdoppelt. Noch schneller wuchs der Einfluß der Bolschewiki in den Gewerkschaften.
    Alle partiellen Neuwahlen in die Sowjets brachten den Bolschewiki Siege. Am 1. Juni waren im Moskauer Sowjet bereits 206 Bolschewiki gegen 172 Menschewiki und 110 Sozialrevolutionäre. Die gleichen Verschiebungen, wenn auch langsamer, vollzogen sich in der Provinz. Die Zahl der Parteimitglieder stieg ununterbrochen. Ende April zählte die Petro-grader Organisation etwa 15.000 Mitglieder, Ende Juni über 32.000.
    Die Arbeitersektion des Petrograder Sowjet besaß zu dieser Zeit bereits eine bolschewistische Mehrheit. Jedoch bei den vereinigten Sitzungen beider Sektionen erdrückten die Soldatendeputierten die Bolschewiki. Die Prawda forderte immer dringlicher allgemeine Neuwahlen: "500.000 Petrograder Arbeiter haben im Sowjet nur ein Viertel soviel Vertreter wie
    150.000 Soldaten der Petrograder Garnison."
    Auf dem Rätekongreß im Juni forderte Lenin ernste Maßnahmen gegen die Aussperrung, Ausplünderung und die planmäßige Zersetzung des Wirtschaftslebens seitens der Industriellen und Bankiers. "Veröffentlicht die Gewinne der Herren Kapitalisten, verhaftet fünfzig oder hundert der reichsten Millionäre. Es genügt, sie einige Wochen in Haft zu halten - und sei es auch unter ebensolchen Vergünstigungen, wie sie Nikolai Romanow genießt -, mit dem einfachen Zwecke, sie zu zwingen, die Fäden, die Betrugsmanöver, den Schmutz und Eigennutz aufzudecken, die auch unter der neuen Regierung unser Land Millionen kosten." Lenins Vorschlag erschien den Sowjetführern ungeheuerlich. "Ist es denn möglich, mit Hilfe von Gewalt an einzelnen Kapitalisten die Gesetze des ökonomischen Lebens zu ändern?" Der Umstand, daß die Industriellen mit Hilfe einer Verschwörung gegen die Nation ihre Gesetze diktierten, schien sie nicht zu stören. Kerenski, der Lenin mit polternder Empörung überfiel, hatte vor einem Monat nicht davor zurückgescheut, viele Tausende Arbeiter zu verhaften, die über die "Gesetze des ökonomischen Lebens" anderer Meinung waren als die Industriellen.
    Die Verbindung zwischen Ökonomik und Politik kam immer stärker zum Vorschein. Der Staat, der als mystisches Prinzip aufzutreten gewohnt war, wirkte jetzt immer häufiger in seiner primitivsten Form, das heißt in Gestalt von Abteilungen bewaffneter Menschen. Unternehmer, die sich weigerten, Zugeständnisse zu machen oder auch nur in Verhandlungen einzutreten, wurden von den Arbeitern an verschiedenen Orten des Landes bald gewaltsamer Vorführung vor den Sowjet, bald dem Hausarrest unterworfen. Es ist nicht verwunderlich, daß die Arbeitermiliz zum Gegenstand besonderen Hasses der besitzenden Klassen wurde.
    Der ursprüngliche Beschluß des Exekutivkomitees über die Bewaffnung von zehn Prozent der Arbeiter war nicht erfüllt worden. Aber es gelang den Arbeitern dennoch, sich teilweise zu bewaffnen, wobei die aktivsten Elemente die Reihen der Miliz füllten. Die Leitung der Arbeitermiliz konzentrierte sich in den Händen der Betriebskomitees, und die Leitung der Betriebskomitees ging immer mehr in die Hände der Bolschewiki über. Ein Arbeiter der Moskauer Fabrik "Postawschtschik" erzählt: "Am 1.

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