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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution
Autoren: Leo Trotzki
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daß den Ministern nur eine "Erläuterung" des Standpunktes Kronstadts, der unabänderlich bleibe, gegeben worden sei. Das war ein offensichtlich taktischer Fehler, hinter dem sich jedoch nichts anderes als revolutionäre Ambition verbarg.
    Die Spitzen beschlossen, den Glücksfall auszunutzen, den Kronstädtern eine Lektion zu erteilen und sie gleichzeitig für die früheren Sünden büßen zu lassen. Als Ankläger trat selbstverständlich Zeretelli auf. Mit pathetischer Berufung auf seine eigenen Gefängnisse zeterte er besonders deshalb gegen die Kronstädter, weil sie in den Festungskasematten 80 Offiziere festhielten. Die ganze wohlgesinnte Presse stimmte ihm bei. Jedoch mußten auch die Versöhnler-, das heißt die Ministerzeitungen zugeben, daß es sich "um richtige Staatsschatzräuber" handle und um "Menschen, die das Faustrecht bis zum Entsetzen ausgeübt hatten" ... Selbst nach den Iswestja (Mitteilungen), dem Offiziosus Zeretellis, machten als Zeugen vernommene Matrosen "Angaben über die Unterdrückung des Aufstandes von 1906 (durch die verhafteten Offiziere), über Massenerschießungen, über mit Leichen Hingerichteter vollgepfropfte und ins Meer versenkte Schaluppen und über andere Greuel ... sie berichteten das so einfach, als handelte es sich um die geläufigsten Dinge".
    Die Kronstädter weigerten sich hartnäckig, die Verhafteten einer Regierung auszuliefern, der die Henker und Staatsschatzräuber von adligem Stande viel näher waren als die im Jahre 1906 und in anderen Jahren zu Tode gequälten Matrosen. Nicht zufällig befreite der Justizminister Perewersew, den Suchanow milde "eine der verdächtigsten Gestalten der Koalitionsregierung" nennt, systematisch die niederträchtigsten Vertreter der zaristischen Gendarmerie aus der Pe-ter-Paul-Festung. Die demokratischen Parvenüs waren hauptsächlich bemüht, von der reaktionären Bürokratie als edelmütig anerkannt zu werden.
    Die Anklagen Zeretellis beantworteten die Kronstädter in ihrem Aufruf: "Die in den Tagen der Revolution von uns verhafteten Offiziere, Gendarmen und Polizisten haben den Regierungsvertretern selbst erklärt, daß sie sich über die Behandlung durch die Gefängnisaufsicht nicht zu beklagen haben. Allerdings sind die Gefängnisgebäude in Kronstadt schrecklich. Es sind aber die gleichen Gefängnisse, die der Zarismus für uns erbaut hat. Andere haben wir nicht. Und wenn wir die Feinde des Volkes in diesen Gefängnissen festhalten, so nicht aus Rache, sondern aus Erwägungen revolutionärer Selbsterhaltung."
    Am 27. Mai saß der Petrograder Sowjet über die Kronstädter zu Gericht. In einer Rede zu ihrer Verteidigung wies Trotzki Zeretelli warnend daraufhin, daß im Falle der Gefahr, das heißt, "wenn ein konterrevolutionärer General versuchen wird, der Revolution die Schlinge um den Hals zu werfen, die Kadetten den Strick, einseifen, während die Kron-städter Matrosen zur Stelle sein werden, um gemeinsam mit uns zu kämpfen und zu sterben". Diese warnende Voraussage sollte sich nach drei Monaten mit überraschender Genauigkeit verwirklichen: als General Kornilow den Aufstand entfesselte und Truppen gegen die Hauptstadt heranführte, riefen Kerenski, Zeretelli und Skobeljew zum Schutz des Winterpalais die Kronstädter Matrosen herbei. Doch was folgt daraus? Im Juni verteidigten die Herren Demokraten die Ordnung gegen Anarchie; keine Argumente und Warnungen hatten da Macht über sie. Mit einer Mehrheit von 580 gegen 162 Stimmen, bei 74 Stimmenthaltungen, setzte Zeretelli im Petrograder Sowjet die Resolution durch, die den Abfall des "anarchistischen" Kronstadts von der revolutionären Demokratie verkündete. Sobald das ungeduldig wartende Mariinski-Palais von der Annahme der Lossagungsbulle benachrichtigt worden war, unterbrach die Regierung unverzüglich die telephonische Verbindung zwischen Hauptstadt und Festung für den Privatverkehr, um dem bolschewistischen Zentrum die Beeinflussung der Kronstädter unmöglich zu machen, befahl gleichzeitig, sofort alle Lehrschiffe aus Kronstadt zu entfernen und verlangte vom Sowjet "unbedingten Gehorsam". Der zur gleichen Zeit tagende Kongreß der Bauerndeputierten versuchte es mit der Drohung, "den Kronstädtern die Bedarfsprodukte zu verweigern". Die hinter dem Rücken der Versöhnler lauernde Reaktion suchte eine entscheidende und nach Möglichkeit blutige Lösung. "Der übereilte Schritt des Kronstädter Sowjets", schreibt ein junger Historiker, Jugow, "konnte unerwünschte Folgen
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