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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Exekutivkomitees stand, der Regierung der Großbourgeoisie die Gewalt zu übertragen oder sie ihr nicht zu übertragen." Kann man sich kategorischer ausdrücken? Kann eine politische Situation klarer gekennzeichnet sein? Und trotzdem erklärt Suchanow in völligem Widerspruch zur Situation und zu sich selbst: "Eine Macht, die den Zarismus ablöst, kann nur eine bürgerliche Macht sein ... Auf diese Lösung muß der Kurs gehalten werden. Andernfalls wird der Umsturz mißlingen und die Revolution zugrunde gehen." Die Revolution wird zugrunde gehen - ohne Rodsjanko!
    Das Problem des lebendigen Verhältnisses der sozialen Kräfte wird hier durch ein vorgefaßtes Schema und eine ausgeklügelte Terminologie ersetzt: das eben ist der Kern des intellektuellen Doktrinarismus. Und wir werden später sehen, daß dieser Doktrinarismus keinesfalls platonischer Art war: er erfüllte eine vollkommen reale politische Funktion, wenn auch mit verbundenen Augen.
    Wir haben nicht zufällig Suchanow zitiert. In dieser ersten Periode war der Inspirator des Exekutivkomitees nicht dessen Vorsitzender, Tschcheidse, ein ehrlicher und beschränkter Provinzler, sondern eben Suchanow, einer, der allgemein gesprochen, für die revolutionäre Führung am wenigsten geeignet war. Halb-Narodnik, Halb-Marxist, eher gewissenhafter Beobachter als Politiker, mehr Journalist als Revolutionär, mehr Räsoneur als Journalist, war er nur fähig, sich so lange an eine revolutionäre Konzeption zu halten, bis es hieß, sie in die Tat umzusetzen. Passiver Internationalist während des Krieges, entschied er am ersten Tage der Revolution, man müsse so schnell wie möglich die Macht und den Krieg der Bourgeoisie zuschieben. Theoretisch, das heißt mindestens seinem Bedürfnis, wenn nicht der Befähigung nach, eine Sache mit der anderen zu verbinden, stand er über den damaligen Mitgliedern des Exekutivkomitees. Doch seine Hauptkraft bestand in der Fähigkeit, die organischen Züge dieser bunten und trotzdem einheitlichen Sippe in die Sprache des Doktrinarismus zu übersetzen: Unglaube an die eigenen Kräfte; Angst vor der Masse und hochmütigehrfurchtsvolles Verhältnis zur Bourgeoisie. Lenin nannte Suchanow einen der besten Vertreter Kleinbürgertums. Das ist aber auch das Schmeichelhafteste, was man über ihn sagen kann.
    Man darf nun nicht vergessen, daß es dabei vor allem um das Kleinbürgertum eines neuen kapitalistischen Typs geht: um die Handels-, Industrie- und Bankangestellten, um die Beamten des Kapitals einerseits und um die Arbeiterbürokratie andererseits, das heißt um jenen neuen Mittelstand , in dessen Namen der nicht unbekannte deutsche Sozialdemokrat Eduard Bernstein Ende des vorigen Jahrhunderts eine Revision der revolutionären Konzeption von Marx unternahm. Um die Frage zu beantworten, wie die Arbeiter- und Bauernrevolution die Macht an die Bourgeoisie abgetreten hat, muß man in die politische Kette ein Zwischenglied einführen: die kleinbürgerlichen Demokraten und Sozialisten vom Typ Suchanows, die Journalisten und Politiker des neuen Mittelstandes, die die Massen lehrten, daß die Bourgeoisie der Feind sei, sich aber selbst am meisten davor fürchteten, die Massen vom Kommando dieses Feindes zu lösen. Der Widerspruch zwischen dem Charakter der Revolution und dem Charakter der aus ihr entstandenen Regierung ist mit dem widerspruchsvollen Charakter der neuen kleinbürgerlichen Schicht zu erklären, die zwischen den revolutionären Massen und der kapitalistischen Bourgeoisie stand. Im Verlauf der weiteren Ereignisse der Revolution wird sich uns die politische Rolle der kleinbürgerlichen Demokratie des neuen Typs ganz erschließen. Vorläufig begnügen wir uns mit wenigen Worten.
    Am Aufstand beteiligt sich unmittelbar die Minderheit der revolutionären Klasse, wobei die Kraft dieser Minderheit darin besteht, daß die Mehrheit sie unterstützt, mindestens mit ihr sympathisiert. Aus der aktiven und kampfbereiten Minderheit treten unter dem feindlichen Feuer unvermeidlich die revolutionärsten und aufopferungsfähigsten Elemente hervor. Es ist natürlich, daß in den Februarkämpfen die bolschewistischen Arbeiter an erster Stelle standen. Die Lage verändert sich aber mit dem Siege, und zwar in dem Augenblick, wo seine politische Festigung beginnt. Zu den Wahlen für die Organe und Institutionen der siegreichen Revolution werden aufgerufen und strömen herbei unermeßlich breitere Massen als jene, die mit der Waffe in der Hand gekämpft

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