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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Kampfe gegen die Regierung zu unterstützen", faktisch aber war die Duma seit dem ersten Tage erledigt. Der gleiche Ausdruck war auf den Gesichtern aller Mitglieder des Provisorischen Dumakomitees und jener Kreise, die sie umgaben. Man sagt, Vertreter des progressiven Blocks hätten zu Hause vor ohnmächtiger Verzweiflung hysterisch geweint." Dieses lebendige Zeugnis ist wertvoller als alle soziologischen Untersuchungen über das Kräfteverhältnis. Nach seinem eigenen Bericht erschauerte Rodsjanko vor ohnmächtiger Empörung beim Anblick dessen, als irgendwelche Soldaten, "unbekannt auf wessen Befehle, Verhaftungen von Würdenträgern des alten Regimes vornahmen und diese in die Duma brachten. Der Kammerherr geriet in die Rolle eines
    Gefängnischefs in bezug auf Menschen, mit denen er zwar gewisse Meinungsverschiedenheiten hatte, die aber für ihn immerhin Menschen seines Kreises blieben. Der ob dieser "Willkür" niedergeschmetterte Rodsjanko lud den verhafteten Schtscheglowitow in sein Arbeitszimmer ein, die Soldaten weigerten sich entschieden, den ihnen verhaßten Würdenträger auszuliefern. "Als ich meine Autorität durchzusetzen versuchte", erzählt Rodsjanko, "bildeten die Soldaten einen Kreis um ihren Gefangenen und zeigten mit herausfordernden frechen Mienen auf ihre Gewehre; dann wurde Schtscheglowitow ohne weiteres irgendwohin abgeführt." Kann man krasser die Worte Stankewitschs bestätigen, wonach die Regimenter, die angeblich zur Unterstützung der Duma gekommen waren, diese in Wirklichkeit erledigten?
    Daß die Macht von der ersten Stunde an bei dem Sowjet war, darüber konnten die Dumamitglieder weniger als sonst jemand im Zweifel sein. Der Oktobristen-Deputierte Schidlowski, einer der Führer des progressiven Blocks, schreibt in seinen Erinnerungen: "Vom Sowjet wurden alle Post- und Telegraphenämter besetzt, das Radio, alle Petrograder Bahnhöfe, alle Druckereien, so daß man ohne seine Erlaubnis weder ein Telegramm abschicken, noch aus Petrograd verreisen, noch einen Aufruf drucken konnte." Diese unzweideutige Charakteristik des Kräfteverhältnisses muß man nur in einer Hinsicht klären: die "Eroberung" der Post- und Telegraphenämter, der Eisenbahnen, Druckereien und so weiter durch den Sowjet bedeutet nur, daß die Arbeiter und Angestellten dieser Betriebe sich keinem, außer dem Sowjet, unterwerfen wollten. Die Klage Schidlowskis wird, wie es besser nicht möglich ist, durch eine Episode illustriert, die sich in der Hitze der Verhandlungen über die Regierung zwischen den Führern des Sowjets und der Duma abspielte. Die gemeinsame Sitzung wurde durch die dringende Mitteilung unterbrochen, Rodsjanko werde aus Pskow, wo sich nach seinen Irrfahrten auf den Eisenbahnstrecken der Zar nun befand, an die direkte Telephonleitung gerufen. Der allmächtige Dumavorsitzende erklärte, er wolle nicht allein zum Telegraphenamt fahren. "Die Herren Arbeiter- und Soldatendeputierten mögen mir einen Schutz mitgeben oder mit mir fahren, sonst wird man mich dort im Telegraphenamt verhaften." - "Nun ja! Ihr habt die Macht und die Gewalt", fuhr er aufgeregt fort, "ihr könnt mich natürlich verhaften lassen ... Vielleicht werdet ihr uns alle verhaften, wir wissen es nicht!" ... Dies geschah am 1. März, kaum 48 Stunden nachdem das Provisorische Komitee, an dessen Spitze Rodsjanko stand, die Macht "übernommen" hatte.
    Wie aber kamen unter diesen Umständen die Liberalen dennoch zur Regierung? Wer - und was - hatte sie ermächtigt, eine Regierung zu bilden als Resultat jener Revolution, die sie gefürchtet, der sie entgegengewirkt und die sie zu unterdrücken gesucht hatten, die von den ihnen feindlichen Massen vollzogen worden war, und zwar mit solcher Entschiedenheit und Kühnheit, daß der Sowjet der Arbeiter und Soldaten, der aus dem Aufstand hervorging, als natürlicher und unbestrittener Herr der Lage erschien?
    Hören wir jetzt die andere Seite an, jene, die die Macht abgegeben hat. "Das Volk neigte keinesfalls zur Duma", schreibt Suchanow über die Februartage, "es interessierte sich nicht für sie und dachte nicht daran, sie - politisch oder technisch - zum Zentrum der Bewegung zu machen." Dieses Geständnis ist um so beachtenswerter, als sein Autor in den nächsten Stunden alle seine Kräfte darauf verwenden wird, dem Komitee der Reichsduma die Macht auszuleiern. "Miljukow begriff vortrefflich", sagt ferner Suchanow über die Verhandlungen vom 1. März, "daß es vollständig in der Macht des

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