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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Sieges, als die neue Revolutionsgewalt sich mit märchenhafter Schnelligkeit und unüberwindlicher Kraft herausbildete, blickten jene Sozialisten, die an die Spitze des Sowjets gelangt waren, besorgt um sich, auf der Suche nach dem echten "Herrn". Sie betrachteten es als selbstverständlich, daß die Macht an die Bourgeoisie übergehen müsse. Hier beginnt die Verknüpfung des wichtigsten politischen Knotens des neuen Regimes: einer der Fäden führt in das Zimmer des Exekutivkomitees der Arbeiter und Soldaten, der andere in den Raum, wo das Zentrum der bürgerlichen Parteien sitzt.
    Um 3 Uhr nachmittags, als der Sieg in der Hauptstadt schon völlig feststand, wählte der Ältestenrat aus den Parteien des progressiven Blocks unter Hinzuziehung von Tschcheidse und Kerenski das "Provisorische Komitee der Dumamitglieder". Tschcheidse lehnte ab, Kerenski wand sich hin und her. Der Name des Komitees wies vorsorglich darauf hin, daß es sich nicht um ein offizielles Organ der Reichsduma handle, sondern um ein privates Organ zur Beratung der Dumamitglieder. Die Führer des progressiven Blocks hatten nur eine Frage zu Ende gedacht: wie sich vor Verantwortung schützen, ohne sich die Hände zu binden. Die Aufgabe des Komitees war mit sorgfältiger Zweideutigkeit formuliert worden: "Herstellung der Ordnung, und Verkehr mit Ämtern und Personen." Kein Wort davon, welche Ordnung die Herren herzustellen und mit welchen Ämtern sie zu verkehren gedachten. Sie streckten den Arm noch nicht offen nach dem Fell des Bären aus: wie, wenn er noch nicht ganz tot, sondern nur schwer verwundet ist? Erst am 27. Februar um 11 Uhr abends, erst als - nach dem Eingeständnis Miljukows - "der ganze Umfang der revolutionären Bewegung sichtbar wurde, entschloß sich das Provisorische Komitee, einen weiteren Schritt zu tun um die Macht, die den Händen der Regierung entfallen war, in seine Hände zu nehmen". Unmerklich verwandelte sich das neue Organ aus einem Komitee der Dumamitglieder in ein Komitee der Duma: zur Sicherung der staatsrechtlichen Nachfolge gibt es kein besseres Mittel als die Fälschung. Aber Miljukow verschweigt die Hauptsache: die Führer des im Laufe des Tages gebildeten Exekutivkomitees hatten bereits Zeit gefunden, sich zum Provisorischen Komitee zu begeben und dieses dringendst zu ersuchen, die Macht zu übernehmen. Dieser freundschaftliche. Stoß hatte seine Wirkung. Nachträglich legte Miljukow den Entschluß des Dumakomitees dahin aus, daß die Regierung sich angeblich anschickte, zuverlässige Truppen gegen die Aufständischen zu entsenden, "und es drohte in den Straßen der Hauptstadt zu wahren Schlachten zu kommen". In Wirklichkeit verfügte die Regierung schon über keinerlei Truppen mehr, der Umsturz war bereits vollzogen. Rodsjanko schrieb später: "Die Duma wäre", hätte sie die Übernahme der Macht abgelehnt, "in ihrer Gesamtheit von den meuternden Truppen verhaftet und niedergemacht worden und die Herrschaft sogleich an die Bolschewiki übergegangen." Das ist natürlich eine sinnlose Übertreibung, ganz im Geiste des achtbaren Kammerherrn; jedoch spiegelt sie unverfälscht die Stimmung der Duma wider, die die Einhändigung der Macht als einen Akt politischer Vergewaltigung empfand.
    Bei dieser Stimmung fiel ein Beschluß nicht leicht. Besonders heftig schwankte Rodsjanko, immer die andern aushorchend: "Was wird es sein - Aufruhr oder kein Aufruhr?" Der monarchistische Deputierte Schulgin antwortete ihm, nach seiner eigenen Wiedergabe: "Es gibt keinerlei Aufruhr. Nehmen Sie als getreuer Untertan ruhig an ... wenn die Minister davongelaufen sind, muß sie doch jemand ersetzen ... Es sind zwei Auswege möglich: alles wird sich zum Guten wenden, der Kaiser wird eine neue Regierung ernennen und wir ihm die Macht zurückgeben. Wird sich's aber nicht zum Guten wenden, dann werden, wenn wir sie nicht nehmen, andere die Macht ergreifen, jene, die bereits irgendwelche Schufte in den Fabriken gewählt haben ... " Man braucht an den Pöbeleien des reaktionären Gentleman gegen die Arbeiter keinen Anstoß zu nehmen: die Revolution hat diesen Herren fest auf den Fuß getreten. Die Moral ist klar: siegt die Monarchie, - werden wir zu ihr stehen, siegt die Revolution, - wollen wir uns bemühen, sie zu bestehlen.
    Die Beratung währte lange. Die demokratischen Führer warteten erregt auf den Beschluß. Endlich trat Miljukow aus dem Zimmer Rodsjankos heraus. Er hatte ein feierliches Aussehen. An die Sowjetdelegation

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