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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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feine Schmeichelei: "Gescheit sind nur wir zwei." In Wirklichkeit zog Miljukow gerade in diesem Moment seinen demokratischen Freunden einen Ring durch die Nase. Mit diesem Ring sind sie später auch gestürzt worden.
    Die persönliche Unpopularität erlaubte Miljukow nicht, sich an die Spitze der Regierung zu stellen: er übernahm die auswärtigen Angelegenheiten, die auch in der Duma seine Spezialität gewesen waren.
    Kriegsminister der Revolution wurde der uns bereits bekannte Moskauer Großindustrielle Gutschkow, in seiner Jugend Liberaler, mit einem Einschlag ins Abenteuerliche, später Vertrauensperson der Großbourgeoisie bei Stolypin in der Periode der Niederschlagung der ersten Revolution. Die Auflösung der zwei ersten Dumas, in denen die Kadetten geherrscht hatten, führte zum Staatsstreich vom 3. Juni 1907, der das Ziel hatte, das Wahlrecht zugunsten der Partei Gutschkows abzuändern, die dann in den zwei letzten Dumas bis zur Revolution die Führung auch behielt. Im Jahre 1911 in Kiew bei der Enthüllung eines Denkmals für Stolypin, der von einem Terroristen getötet worden war, legte Gutschkow schweigend einen Kranz nieder und verneigte sich tief bis zur Erde: das war eine Geste im Namen einer Klasse. In der Duma widmete sich Gutschkow hauptsächlich den Fragen der "Kriegsmacht" und ging bei der Vorbereitung des Krieges Hand in Hand mit Miljukow. Als Vorsitzender des Zentralen Kriegsindustriekomitees vereinigte er die Industriellen unter dem Banner der patriotischen Opposition, wobei er gleichzeitig die Häupter des progressiven Blocks, einschließlich Rodsjanko, keinesfalls hinderte, ihre Hände an Militärlieferungen zu wärmen. Eine revolutionäre Empfehlung für Gutschkow war die mit seinem Namen verbundene halbe Legende von der Vorbereitung der Palastrevolution. Der ehemalige Polizeichef behauptete darüber hinaus, Gutschkow "erlaubte sich, in Privatgesprächen höchst beleidigende Epitheta in bezug auf den Monarchen. anzuwenden". Das ist durchaus wahrscheinlich. Doch bildete Gutschkow in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Die gottesfürchtige Zarin haßte Gutschkow, sparte in ihren Briefen nicht mit groben Schmähungen an seine Adresse und sprach die Hoffnung aus, er werde an "einem hohen Baume" aufgehängt werden. Übrigens hatte die Zarin dafür viele vorgesehen. So oder so: jener Mann, der sich vor dem Henker der ersten Revolution bis zur Erde verneigt hatte, wurde Kriegsminister der zweiten.
    Zum Ackerbauminister wurde der Kadett Schingarew ernannt, ein Provinzarzt, der später Dumadeputierter geworden war. Seine nächsten Gesinnungsgenossen aus der Partei hielten ihn für eine ehrliche Mittelmäßigkeit oder, wie Nabokow sich ausdrückte, für "einen russischen Provinzintellektuellen, gemessen nicht mit dem Staats-, sondern einem Gouvernements- oder Kreismaßstab". Der unbestimmte Radikalismus der Jugendjahre hatte längst Zeit gehabt, sich zu verflüchtigen, und Schingarews Hauptsorge wurde, den besitzenden Klassen seine Staatsreife zu zeigen. Obwohl das alte Programm der Kadetten von der "zwangsweisen Enteignung des gutsherrlichen Bodens nach einer gerechten Abschätzung" sprach, nahm doch keiner der Gutsbesitzer dieses Programm ernst, besonders jetzt nicht, in den Jahren der Kriegsinflation, und Schingarew sah seine Hauptaufgabe darin, die Lösung des Agrarproblems zu verschleppen und die Bauern mit dem Trugbild der Konstituierenden Versammlung zu vertrösten, die die Kadetten nicht einberufen wollten. An den Fragen des Grund und Bodens und des Krieges sich das Genick zu brechen, stand der Februarrevolution bevor; Schingarew half dabei, wie er nur konnte.
    Das Portefeuille der Finanzen erhielt ein junger Mann namens Tereschtschenko. Wo haben sie den hergenommen? fragte man sich verwundert im Taurischen Palais. Unterrichtete Personen erklärten, er sei Besitzer von Zuckerfabriken, Gütern, Wäldern und anderen unzähligen Reichtümern, die man auf etwa 80 Millionen Goldrubel schätzte, Vorsitzender des Kriegsindustriekomitees in Kiew, mit guter französischer Aussprache und überdies Kenner des Balletts. Man fügte noch vielsagend hinzu, Tereschtschenko habe als Vertrauter Gutschkows fast an der großen Verschwörung teilgenommen, die Nikolaus II. absetzen sollte. Die Revolution, die die Verschwörung vereitelt hatte, half Tereschtschen-ko.
    Während der fünf Februartage, als sich in den kalten Straßen der Hauptstadt Revolutionskämpfe abspielten, huschte einigemal wie ein Schatten die Figur

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