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Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.1 - Februarrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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von der düsteren Sorge der Soldaten, daß die Macht vom Zaren an einen Fürsten übergegangen sei: hat es sieh gelohnt, deshalb Blut zu vergießen? Stankewitsch, der zum intimen Kerenski-Kreise gehörte, machte am 3. März einen Rundgang durch sein Sappeurbataillon, von Kompanie zu Kompanie, und pries die neue Regierung an, die er selbst für die bestmögliche hielt und von der er mit großer Begeisterung sprach. "Aber man fühlte im Auditorium eine Kühle." Nur wenn der Redner Kerenski erwähnte, "entflammten" die Soldaten "in wahrer Befriedigung". Zu dieser Zeit hatte bereits die öffentliche Meinung der Spießbürger der Hauptstadt Kerenski in einen Haupthelden der Revolution verwandelt. Die Soldaten wollten in höherem Maße als die Arbeiter in Kerenski ein Gegengewicht zur bürgerlichen Regierung ss-hen und wunderten sich nur darüber, daß er dort allein war. Doch Kerenski war kein Gegengewicht, sondern eine Ergänzung, eine Deckung, eine Verzierung. Er verteidigte die gleichen Interessen wie Miljukow, nur beim Aufblitzen von Magnesium.
    Wie war die reale Konstitution des Landes nach der Aufrichtung der neuen Macht?
    Die monarchistische Reaktion verkroch sich in die Löcher. Sobald nur die ersten Wasser der Sintflut zurückwichen, gruppierten sich die Besitzenden aller Arten und Richtungen um das Banner der Kadettenpartei, die mit einem Male die einzige nichtsozialistische Partei und gleichzeitig die äußerste Rechte in der offenen Arena geworden war.
    Die Massen strömten in Scharen zu den Sozialisten, die im Bewußtsein des Volkes mit den Sowjets verschmolzen waren. Nicht nur die Arbeiter und Soldaten der großen Garnisonen des Hinterlandes, sondern auch all das bunte Kleinvolk der Städte: Handwerker, Straßenverkäufer, kleine Beamte, Droschkenkutscher, Portiers, Hausangestellte aller Art mieden die Provisorische Regierung mit deren Kanzleien und suchten eine nähere, zugänglichere Macht. In immer größerer Zahl kamen Bauernabgesandte ins Taurische Palais. Die Massen ergossen sich in die Sowjets wie in ein Triumphtor der Revolution. Alles, was außerhalb der Sowjets blieb, fiel von der Revolution gleichsam ab und schien einer anderen Welt zugehörig. So war es auch: außerhalb der Sowjets blieb die Welt der Besitzenden, in der sich jetzt alle Farben zu einem graurosa Schutzkolorit vermengten.
    Nicht die ganze werktätige Masse wählte die Sowjets, nicht mit einem Male erwachte sie, nicht alle Schichten der Unterdrückten wagten gleich zu glauben, daß der Umsturz auch sie betraf. Im Bewußtsein vieler regte sich nur schwerfällig unartikulierte Hoffnung. Den Sowjets wandten sich alle Aktiven aus den Massen zu, und während der Revolution siegt mehr denn je die Aktivität; da nun die Massenaktivität von Tag zu Tag wuchs, so erweiterte sich die Basis der Sowjets ununterbrochen. Dies war auch die einzige reale Basis der Revolution.
    Im Taurischen Palais gab es zwei Hälften: Duma und Sowjet. Das Exekutivkomitee drängte sich ursprünglich in r-gendwelchen engen Kanzleien, durch die ein ununterbrochener Menschenstrom flutete. Die Dumadeputierten waren bemüht, sich in ihren Paraderäumen als die Herren zu fühlen. Doch bald trug das Hochwasser der Revolution die Schranken hinweg. Trotz der ganzen Unentschlossenheit seiner Führer verbreiterte sich der Sowjet unaufhaltsam, während die Duma immer mehr in den Hintergrund gedrängt wurde. Das neue Kräfteverhältnis brach sich allenthalben Bahn.
    Die Deputierten im Taurischen Palais, die Offiziere in ihren Regimentern, die Kommandeure in ihren Stäben, die Direktoren und Administratoren der Betriebe, Eisenbahnen, Telegraphenämter, die Gutsbesitzer oder Verwalter auf den Gütern, alle fühlten sich von den ersten Tagen der Revolution an unter der feindseligen und rastlosen Kontrolle der Masse. Der Sowjet war in den Augen dieser Masse der organisierte Ausdruck ihres Mißtrauens gegen all jene, die sie unterdrückt hatten. Die Setzer durchforschten eifrig den Text der Artikel, die sie zu setzen hatten, die Eisenbahnarbeiter beobachteten besorgt und wachsam die Militärzüge, die Telegraphisten lasen sich auf neue Art in die Telegramme hinein, die Soldaten sahen sich bei jeder verdächtigen Bewegung des Offiziers an, die Arbeiter warfen den als Schwarzhundertmann bekannten Meister aus dem Betrieb hinaus und hielten ein scharfes Auge auf den liberalen Direktor. Die Duma wurde von den ersten Stunden der Revolution und die Provisorische Regierung von ihren ersten

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