Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Wolken am politischen Horizont" und erhielt eine vollkommen beruhigende Antwort: das fällige Gewitter, sonst nichts; es wird sich verziehen und wieder hell werden, - "schlafen Sie ruhig". Paltschinski selbst hatte nur noch eine oder zwei schlaflose Nächte zu verbringen, bevor er verhaftet wurde.
Je ungenierter Kerenski mit den Versöhnlerführem umsprang, um so weniger bezweifelte er, daß sie im Augenblicke der Gefahr rechtzeitig zu Hilfe kommen würden. Je schwächer die Versöhnler wurden, desto sorgsamer hielten sie um sich eine Atmosphäre von Illusionen aufrecht. Indem sie von ihren Petrograder Höhen mit den Spitzenorganisationen von Provinz und Front gegenseitige Ermunterungen austauschten, schufen Menschewiki und Sozialrevolutionäre eine Fälschung der öffentlichen Meinung und führten, ihre Ohnmacht maskierend, Weniger die Feinde als sich selbst irre. Der schwerfällige, ganz untaugliche Staatsapparat, eine Mischung aus Märzsozialist und Zarenbürokrat, war sehr gut für Zwecke der Selbsttäuschung geeignet. Der frischgebackene Sozialist fürchtete, dem Bürokraten als nicht genügend reifer Staatsmann zu erscheinen. Der Bürokrat hatte Angst, Mangel an Achtung vor den neuen Ideen zu bekunden. So entstand ein Netz von offizieller Lüge, wo Generale, Staatsanwälte, Zeitungsleute, Kommissare und Adjutanten um so mehr flunkerten, je näher sie an der Quelle der Macht standen. Der Kommandierende des Petrograder Militärbezirks gab tröstliche Berichte, weil Kerenski angesichts der trostlosen Wirklichkeit ihrer bedurfte.
Die Traditionen der Doppelherrschaft wirkten in der gleichen Richtung. Wurden doch die laufenden Verfügungen des Bezirksstabes, gegengezeichnet vom Militärischen Revolutionskomitee, widerspruchslos erfüllt. Die Wachen in der Stadt wurden von Garnisontruppenteilen in üblicher Weise bezogen, und man darf sagen, die Regimenter hatten schon lange den Wachtdienst nicht mit solchem Eifer ausgeführt wie jetzt. Unzufriedenheit der Massen? "Meuternde Sklaven" sind immer unzufrieden. An Meuterei versuchen könnte sich nur der Auswurf der Hauptstadtbevölkerung beteiligen. Die Soldatensektion gegen den Stab? Dafür aber steht die Militärische Sektion des Zentral-Exekutivkomitees hinter Kerenski. Die gesamte Organisierte Demokratie mit Ausnahme der Bolschewiki unterstützt die Regierung. So verwandelte sich der rosige Märznimbus in blauen Dunst, der die realen Umrisse der Dinge verhüllte.
Erst nachdem der Bruch zwischen Smolny und Stab erfolgt war, versuchte die Regierung an den Konflikt ernster heranzutreten: unmittelbare Gefahr bestehe selbstverständlich nicht, doch müsse man diesmal die Gelegenheit wahrnehmen, um mit den Bolschewiki Schluß zu machen. Außerdem drängten aus aller Kraft auch die bürgerlichen Verbündeten. In der Nacht zum 24. faßte die Regierung Mut und verfügte gegen das Militärische Revolutionskomitee Strafverfolgung einzuleiten; bolschewistische Zeitungen, die zum Aufstande aufrufen, zu verbieten; zuverlässige Truppenteile aus der Umgebung und von der Front anzufordern. Die Ausführung des im Prinzip angenommen Antrages, das ganze Militärische Revolutionskomitee zu verhaften, wurde verschoben: für ein so großes Unternehmen müsse man sich erst der Unterstützung des Vorparlaments vergewissern.
Das Gerücht über die von der Regierung getroffenen Beschlüsse verbreitete sich sofort in der Stadt. Im Gebäude des Hauptstabes, neben dem Winterpalais, hatten in der Nacht zum 24. Wachtdienst Soldaten des Pawlowsker Regiments, eines der sichersten Truppenteile des Militärischen Revolutionskomitees. Vor den Soldaten wurden Reden geführt über das Heranholen der Junker, über Hochziehen der Brücken, über Verhaftungen. Alles, was die Pawlowsker auffangen und festhalten konnten, meldeten sie sogleich den Bezirken und dem Smolny. Im revolutionären Zentrum verstand man nicht immer die Nachrichten dieses freiwilligen Aufklärungsdienstes auszunutzen. Doch erfüllte er eine unersetzliche Aufgabe. Die Arbeiter und Soldaten der ganzen Stadt erfuhren von den Absichten des Feindes und verstärkten ihre Bereitschaft, Widerstand zu leisten.
Vom frühen Morgen an trafen die Behörden Vorbereitungen zur Einleitung der feindseligen Aktionen. Den Junkerschulen der Hauptstadt wurde befohlen, sich kampfbereit zu halten. Dem in der Newa postierten Kreuzer Aurora mit dem bolschewistisch gestimmten Kommando - ins Meer zu gehen und sich der übrigen Flotte anzuschließen. Aus der
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