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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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politischen Niveau, sondern im großen Maße auch nach der sozialen Zusammensetzung Mit den Bolschewiki als Partei gingen vor allem die Industriearbeiter, in den ersten Reihen Petrograds Erbproletarier. Mit den Bolschewiki, sofern sie legale Deckung seitens des Sowjets besaßen, ging die Mehrheit der Soldaten. Mit den Sowjets, unabhängig davon oder trotzdem, daß darin die Bolschewiki stark vorherrschten, gingen die konservativsten Zwischenschichten der Arbeiter, frühere Menschewiki und Sozialrevolutionäre, die sich fürchteten, von den übrigen Massen abgedrängt zu werden; die konservativeren Truppenteile der Armee einschließlich der Kosaken; die Bauern, die sich von der Führung der sozialrevolutionären Partei befreit hatten und sich an deren linken Flügel klammerten.
    Es wäre ein offener Fehler, die Stärke der bolschewistischen Partei mit der Macht der von ihr geleiteten Sowjets zu identifizieren: die letztere war um vieles beträchtlicher, jedoch ohne die erste hätte sie sich in Ohnmacht verwandelt. Es ist dahinter nichts Geheimnisvolles. Die Wechselbeziehung zwischen Partei und Sowjets erwuchs aus dem in revolutionärer Epoche unvermeidlichen Mißverhältnis zwischen dem kolossalen politischen Einfluß des Bolschewismus und dessen engem organisatorischen Rahmen. Ein richtig angewandter Hebel verleiht der menschlichen Hand die Fähigkeit, eine ihre lebendige Kraft um ein Vielfaches übersteigende Last zu heben. Doch ohne die lebendige Hand ist der Hebel nur eine tote Stange.
    In der Moskauer Distriktkonferenz der Bolschewiki, Ende September, berichtete ein Delegierter: "In Jegorjewsk ist der Einfluß der Bolschewiki ungeteilt ... An sich aber ist die Parteiorganisation schwach; völlig vernachlässigt; es gibt weder eine richtige Registrierung noch Mitgliedsbeiträge." Das Mißverhältnis zwischen Einfluß und Organisation, nicht überall derart kraß, war allgemeine Erscheinung. Die breiten Massen kannten die bolschewistischen Parolen und die Sowjetorganisation. Beides verschmolz für sie völlig in eins während der Monate September-Oktober. Das Volk erwartete, daß gerade die Sowjets bestimmen würden, wann und wie das bolschewistische Programm zu verwirklichen sei.
    Die Partei selbst erzog die Massen systematisch in diesem Geiste. Als in Kiew das Gerücht entstand, es bereite sich ein Aufstand vor, trat das bolschewistische Exekutivkomitee sofort mit einem Widerruf auf: "keine bewaffnete Demonstration darf ohne Aufforderung des Sowjets stattfinden ... Kein Schritt ohne Sowjet!" Die Gerüchte über einen angeblich auf den 22. angesetzten Aufstand widerlegend, sagte Trotzki am 18.: "Der Sowjet ist eine gewählte Institution und ... er kann keine Beschlüsse fassen, die den Arbeitern und Soldaten unbekannt bleiben können ... " Täglich wiederholt und durch die Praxis bekräftigt, gingen solche Formeln in Fleisch und Blut über.
    Nach der Erzählung des Fähnrichs Bersin äußerten die Delegierten in der Militärischen Oktoberkonferenz der Bol-schewiki zu Moskau: "Es ist schwer zu sagen, ob die Truppen dem Ruf des Moskauer Komitees der Bolschewiki Folge leisten werden. Dem Ruf des Sowjets dürften wohl alle Folge leisten." Dabei hatte die Moskauer Garnison schon im September zu neunzig Prozent für die Bolschewiki gestimmt. In der Beratung vom 16. Oktober in Petrograd berichtete Bokij im Namen des Parteikomitees: im Moskauer Bezirk "wird man auf die Straße gehen auf Aufforderung des Sowjets, nicht aber der Partei"; im Newski-Bezirk "werden alle mit dem Sowjet gehen". Wolodarski resümierte bei dieser Gelegenheit die Einschätzung der Stimmungen in Petrograd mit folgenden Worten: "Der Gesamteindruck ist, daß keiner darauf brennt, auf die Straße zu gehen, doch werden auf den Ruf des Sowjets alle erscheinen." Olga Rawitsch trägt eine Korrektur hinein: "Einige stellten fest, auch auf den Ruf der Partei hin." In der Petrograder Garnisonberatung vom 18. berichteten die Delegierten, daß ihre Regimenter auf den Ruf des Sowjets warten, um auf die Straße zu gehen; niemand sprach von der Partei, obwohl an der Spitze vieler Truppenteile Bolschewiki standen; die Einheit in der Kaserne konnte nur gewahrt werden, indem man die Sympathisierenden, Schwankenden und halbfeindlich Eingestellten durch die Disziplin des Sowjets verband. Das Grenadierregiment erklärte sogar, es werde auf die Straße gehen nur auf Befehl des Sowjetkongresses. Schon allein die Tatsache, daß die Agitatoren und Organisatoren bei der

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