Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
Vom Netzwerk:
Revolution." Doch wohl kaum ließ sich jemand aus den bolschewistischen Spitzen in dieser Frage von formalen Erwägungen leiten. Als Sinowjew beispielsweise auf eine vorherige Beratung mit der bolschewistischen Fraktion des Sowjetkongresses bestand, suchte er keine formale Sanktion, sondern rechnete einfach auf politische Unterstützung der Provinzdelegierten gegen das Zentralkomitee. Doch Tatsache ist, daß die Abhängigkeit der Partei vom Sowjet, der seinerseits an den Sowjetkongreß appellierte, in die Frage des Aufstandtermins ein Element der Unbestimmtheit hineintrug, das Lenin aufs äußerste und nicht ohne Grund beunruhigte.
    Die Frage, wann aufzurufen, war eng verbunden mit der Frage, wer aufrufen sollte. Lenin waren die Vorteile eines Aufrufs im Namen des Sowjets allzu klar; aber früher als die anderen erkannte er, welche Schwierigkeiten auf diesem Wege entstehen würden. Er mußte befürchten, besonders aus der Ferne, daß die Bremselemente noch stärker sein würden in der Sowjetspitze als im Zentralkomitee, dessen Politik er ohnehin für allzu unentschlossen hielt. An die Frage, wer beginnen solle, Sowjet oder Partei, ging Lenin alternativ heran, neigte jedoch in den ersten Wochen entschieden zur selbständigen Initiative der Partei. Es gab da auch nicht den Schatten irgendeiner prinzipiellen Gegensätzlichkeit: es handelte sich um zwei Einstellungen zum Aufstande auf der gleichen Basis, in der gleichen Situation, im Namen des gleichen Zieles. Doch waren es zwei verschiedene Einstellungen.
    Lenins Vorschlag, das Alexandrinski-Theater einzukreisen und die Demokratische Beratung zu verhaften, ging davon aus, der Aufstand werde vertreten werden nicht vorn Sowjet, sondern von der unmittelbar an die Betriebe und Kasernen appellierenden Partei. Anders konnte es auch nicht sein: einen solchen Plan vermittels des Sowjets durchzusetzen war völlig undenkbar. Lenin ist sich dessen durchaus klar, daß seine Absicht sogar in den Parteispitzen auf Widerstand stoßen wird; er empfiehlt im voraus, "nicht nachzujagen der zahlenmäßigen Stärke" der bolschewistischen Fraktion der Beratung: die Entschlossenheit oben wird die zahlenmäßige Stärke unten garantieren. Lenins kühner Plan bot zweifellos Vorteile der Schnelligkeit und Plötzlichkeit. Doch entblößte er allzusehr die Partei und riskierte, in gewissen Grenzen sie zu den Massen in einen Gegensatz zu stellen. Sogar der Petrograder Sowjet hätte im Überraschungsfalle beim ersten Mißerfolg seine noch unstabile bolschewistische Mehrheit einbüßen können.
    Die Resolution vom 10. Oktober schlägt den lokalen Partei-Organisationen vor, sämtliche Fragen praktisch unter dem Gesichtswinkel des Aufstandes zu entscheiden: von den Sowjets als Aufstandsorganen ist in der Resolution des Zentralkomitees nicht die Rede. In der Beratung vom 16. sagte Lenin: "Die Tatsachen beweisen, daß wir dem Feinde gegenüber im Vorteile sind. Weshalb kann das Zentralkomitee nicht anfangen?" Diese Frage hatte in Lenins Mund keinesfalls rhetorischen Charakter; sie bedeutete: weshalb Zeit verlieren und sich der komplizierten Sowjettransmission anpassen, wenn das Zentralkomitee das Signal sofort geben kann? Jedoch schloß die von Lenin vorgeschlagene Resolution diesmal mit dem Ausdruck "der vollen Überzeugung, daß Zentralkomitee und Sowjet rechtzeitig den günstigen Moment und zweckmäßige Mittel des Angriffs bestimmen werden". Die Erwähnung des Sowjets neben der Partei und die elastischere Fragestellung hinsichtlich des Aufstandtermins waren das Resultat des Lenin über die Parteispitzen hinweg nachgeprüften Widerstandes der Massen.
    Am folgenden Tag resümierte Lenin in einer Polemik gegen Sinowjew und Kamenjew das Ergebnis der gestrigen Debatten: "alle sind darin einig, daß auf den Ruf des Sowjets und zur Verteidigung des Sowjets die Arbeiter sich wie ein Mann erheben werden." Das bedeutete: Wenn nicht alle mit ihm, Lenin, einverstanden sind, daß man aufrufen kann im Namen der Partei, so sind alle darin einig, daß man im Namen des Sowjets aufrufen kann.
    "Wer soll die Macht übernehmen?" schreibt Lenin am Abend des 24. "Das ist jetzt nicht wichtig: möge sie das Militärische Revolutionskomitee übernehmen oder eine "andere Institution", die erklärt, daß sie die Macht nur den wahren Vertretern der Volksinteressen übergeben wird ..." Die "andere Institution", in geheimnisvolle Anführungsstriche genommen, ist die konspirative Bezeichnung für das Zentralkomitee der

Weitere Kostenlose Bücher