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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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bekanntesten Namen rufen beim Kongreß feindselige oder ironische Ausrufe hervor. Mit besonderer Erbitterung wird Tereschtschenkos Namen aufgenommen, des Lenkers der Außengeschicke Rußlands. Und Kerenski? Kerenski? Es ist bekannt, daß er um 10 Uhr morgens ohne großen Erfolg vor der Garnison in Gatschina sprach. "Wohin er sich dann begeben hat, ist nicht genau bekannt: nach Gerüchten
    - zur Front."
    Die Mitläufer des Umsturzes fühlen sich nicht ganz wohl. Sie ahnen, daß der Schritt der Bolschewiki von nun an fester werden wird. Einer der linken Sozialrevolutionäre protestiert gegen die Gefangennahme der sozialistischen Minister. Der Vertreter der vereinigten Internationalisten warnt: der Ackerbauminister Maslow könnte in die gleiche Zelle geraten, in der er unter der Monarchie saß. "Die politische Gefangennahme", antwortet Trotzki, der unter dem Minister Maslow in dem gleichen "Kresty" gesessen hatte wie unter Nikolaus, "ist keine Frage der Rache; sie ist diktiert ... von Erwägungen der Zweckmäßigkeit. Die Regierung ... muß vor Gericht gestellt werden, in erster Linie für ihre unbestreitbare Verbindung mit Kornilow ... Die Minister-Sozialisten werden nur in Hausarrest gehalten werden." Einfacher und präziser wäre es gewesen zu sagen, die Festnahme der alten Regierung sei diktiert von den Notwendigkeiten des noch nicht abgeschlossenen Kampfes. Es ging um die politische Enthäuptung des feindlichen Lagers und nicht um Strafe für vergangene Sünden.
    Doch die parlamentarische Anfrage bezüglich der Verhaftungen wird sofort von einer anderen, unermeßlich wichtigeren Episode verdrängt: das 3. Radfahrerbataillon, von Kerenski gegen Petrograd geschickt, ist auf die Seite des revolutionären Volkes übergegangen! Die allzugünstige Nachricht wirkt unwahrscheinlich; aber es verhält sich dennoch so: der erlesene Truppenteil, als erster von der gesamten aktiven Armee ausgesondert, hatte sich, noch ehe er die Hauptstadt erreichte, dem Aufstande angeschlossen. War in der Freude über die Verhaftung der Minister ein Schatten von Zurückhaltung, so erfaßt jetzt den Kongreß ungeteilte und unaufhaltsame Begeisterung.
    Auf der Tribüne steht der bolschewistische Kommissar von Zarskoje Selo neben dem Delegierten des Radfahrerbataillons: beide sind soeben eingetroffen, dem Kongreß Bericht zu erstatten. "Die Garnison von Zarskoje Selo bewacht die Anmarschstraßen zu Petrograd." Die Landesverteidiger haben den Sowjet verlassen. "Die gesamte Arbeit fiel uns allein zu." Als er vom Herannahen der Radfahrer Kenntnis erhielt, machte sich der Sowjet von Zarskoje Selo auf eine Abwehr bereit. Aber die Besorgnis erwies sich zum Glück als überflüssig: "unter den Radfahrern gibt es keine Feinde des Sowjetkongresses". Bald wird in Zarskoje ein anderes Bataillon eintreffen: diesem bereitet man schon einen freundschaftlichen Empfang vor. Der Kongreß schlürft diesen Bericht Schluck um Schluck.
    Der Vertreter der Radfahrer wird mit einem Sturm, einem Wirbel, einem Zyklon empfangen. Von der Südwestfront hatte man das 3. Bataillon plötzlich auf telegraphischen Befehl hin nach dem Norden kommandiert: "Petrograd verteidigen." Die Radfahrer waren "mit verbundenen Augen" vorgerückt, nur dunkel ahnend, um was es ging. Auf der Station Peredolsk waren sie mit einer Staffel des 5. Radfahrerbataillons zusammengetroffen, die man ebenfalls nach Petrograd führte. Bei einem gemeinsamen Meeting an Ort und Stelle auf der Station ergab sich, daß "unter allen Radfahrern nicht ein Mann zu finden ist, der bereit wäre, gegen die Brüder zu kämpfen". Gemeinsam wird beschlossen: der Regierung den Gehorsam zu verweigern. "Ich erkläre euch konkret", sagt der Radfahrer, "wir werden die Macht keiner Rs-gierung geben, an deren Spitze Bourgeois und Gutsbesitzer stehen!" Das Wort "konkret", von der Revolution in den Volksgebrauch eingeführt, klingt gut in diesem Augenblick!
    Ist's lange her, daß man von dieser Tribüne herab dem Kongreß mit Strafen seitens der Front drohte? Jetzt hat die Front selbst ihr "konkretes" Wort gesprochen. Mögen die Armeekomitees den Kongreß sabotieren. Mag der einfachen Soldatenmasse es nur in Ausnahmefällen gelungen sein, ihre Delegierten zu schicken. Mag man in vielen Regimentern und Divisionen noch nicht gelernt haben, einen Bolschewik von einem Sozialrevolutionär zu unterscheiden. Das bleibt sich gleich! Die Stimme von der Station Peredolsk ist die echte, unbeirrte, unwiderlegbare Stimme der Armee. Gegen

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