Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Kriegskatastrophe und führt zum Triumph der Konterrevolution." Der einzige Ausweg: "Verhandlungen mit der Provisorischen Regierung über Bildung einer auf alle Schichten der Demokratie sich stützenden Regierung." Unbelehrbar, schlagen diese Menschen dem Kongreß vor, ein Kreuz über den Aufstand zu machen und zu Kerenski zurückzukehren. Durch den Lärm, das Gebrüll und sogar Pfeifen kann man die Worte des Vertreters der rechten Sozialrevolutionäre kaum verstehen. Die Deklaration seiner Partei verkündet die "Unmöglichkeit einer gemeinsamen Arbeit" mit den Bolschewiki und erklärt den Sowjetkongreß selbst, einberufen und eröffnet durch das versöhnlerische Zentral-Exekutivkomitee, für unrechtmäßig.
Die Demonstration der Rechten schreckt nicht, sondern wirkt nur störend, aufreizend. Bei den meisten Delegierten hat sich in der Seele zu viel Bitternis angesammelt über die anmaßenden und beschränkten Führer, die anfangs mit Phrasen und dann mit Repressalien fütterten. Beabsichtigen etwa die Dan, Chintschuk und Kutschin noch weiter zu belehren und zu kommandieren? Der lettische Soldat Peterson, mit der tuberkulösen Röte der Wangen und vor Haß brennenden Augen, entlarvt Charasch und Kutschin als Mandatsusurpatoren. "Genug der Resolutionen und des Geschwätzes! Wir brauchen Taten! Die Macht muß in unseren Händen liegen. Die Delegierten, die keiner hergeschickt hat, sollen den Kongreß verlassen, - die Armee ist nicht mit ihnen!" Diese vor Leidenschaft bebende Stimme erleichtert die Seele des Kongresses, auf den es bis dahin nur Beleidigungen gehagelt hat. Andere Frontler eilen Peterson zu Hilfe. "Die Kutschins vertreten die Meinung von Häuflein, die seit April in den Armeekomitees sitzen. Die Armee fordert längst deren Neuwahl." - "Die Insassen der Schützengräben erwarten mit Ungeduld den Übergang der Macht in die Hände der Sowjets."
Aber die Rechten sind noch im Besitz der Glockenstühle. Der Vertreter des "Bund" erklärt für ein "Unglück all das, was in Petrograd geschieht", und ruft die Delegierten auf, sich den Dumaabgeordneten anzuschließen, die drauf und dran sind, unbewaffnet zum Winterpalais zu ziehen, um zusammen mit der Regierung zu sterben. "Aus dem Lärm", schreibt Suchanow, "ertönen höhnische Bemerkungen, teils roher, teils giftiger Art." Der pathetische Redner hat sich offenbar im Auditorium geirrt. Schluß! Deserteure! rufen Delegierte, Gäste, Rotgardisten, Soldaten der Wache den Abziehenden nach. Geht doch zu Kornilow! Volksfeinde!
Der Abzug der Rechten hinterläßt keinen leeren Platz. Die grauen Delegierten lehnen es offen ab, sich Offizieren und Junkern anzuschließen für den Kampf gegen die Arbeiter und Soldaten. Von der Fraktion des rechten Flügels verließen den Saal etwa siebzig Delegierte, das heißt etwas mehr als deren Hälfte. Die Schwankenden rückten zu den Mittelgruppen, die beschlossen hatten, den Kongreß nicht zu verlassen. Wurde vor der Eröffnung der Sitzung die Zahl der Sozialrevolutionäre aller Richtungen mit 190 gezählt, so stieg in den nächsten Stunden die Zahl allein der linken Sozialrevolutionäre auf 180: ihnen gesellten sich all jene zu, die es noch nicht wagten, sich den Bolschewiki anzuschließen, aber schon bereit waren, diese zu unterstützen.
In der Provisorischen Regierung oder irgendeinem Vorparlament waren die Menschewiki und Sozialrevolutionäre bedingungslos geblieben. In der Tat, kann man denn mit der gebildeten Gesellschaft brechen? Aber die Sowjets - das ist doch nur das Volk. Sowjets sind gut, solange man sich auf sie für Verständigung mit der Bourgeoisie stützen kann. Ist es aber denkbar, Sowjets zu dulden, die sich einbilden, Herren des Landes zu sein? "Die Bolschewiki blieben allein", schrieb später der Sozialrevolutionär Sensinow, "und von diesem Moment an begannen sie, sich nur auf die rohe physische Gewalt zu stützen." Zweifellos hatte das moralische Prinzip gemeinsam mit Dan und Goz die Türe hinter sich zugeworfen. Das moralische Prinzip wird in einer Prozession von dreihundert Mann, mit zwei Laternen, zum Winterpalais ziehen, um auf die rohe physische Gewalt der Bolschewiki zu stoßen und - den Rückzug anzutreten.
Der vom Sowjet gutgeheißene Vorschlag zu friedlichen Verhandlungen blieb in der Luft hängen. Hätten die Rechten den Gedanken an eine Verständigung mit dem siegreichen Proletariat für möglich gehalten, sie hätten sich nicht so beeilt, mit dem Kongreß zu brechen. Martow muß, das einsehen. Doch
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