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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Übergang der Macht an die Sowjets ausgesprochen habe, die andere Hälfte für den Übergang der Macht an die Konstituierende Versammlung. Wenn das die Stimmung der halbbeamteten Gouvernementssowjets ist, kann man da zweifeln, daß der künftige Bauernkongreß die Sowjetmacht unterstützen wird?
    Während er die Delegierten im allgemeinen fester zusammenschließt, schreckt und stößt der Aufruf durch seine Unwiderruflichkeit manchen Mitläufer ab. Wieder defilieren auf der Tribüne kleine Fraktionen und Absplitterungen. Zum drittenmal bricht mit dem Kongreß ein Häuflein Menschewiki, wohl die allerlinkesten. Es zeigt sich, daß sie weggehen, nur um die Möglichkeit zu behalten, die Bolschewiki zu retten: "andernfalls richtet ihr euch, uns und die Revolution zugrunde". Der Vertreter der polnischen sozialistischen Partei, Lapinski, bleibt zwar auf dem Kongreß, um "den eigenen Standpunkt bis zu Ende zu verteidigen", schließt sich jedoch im Wesen Martows Resolution an: "die Bolschewiki werden mit der Macht, die sie übernehmen, nicht fertigwerden". Die vereinigte jüdische Arbeiterpartei enthält sich der Abstimmung. Ebenso die vereinigten Internationalisten. Wieviel werden alle diese "Vereinigten" zusammen ausmachen? Der Aufruf wird mit allen gegen zwei Stimmen, bei zwölf Stimmenthaltungen, angenommen! Die Kräfte der Delegierten reichen kaum noch für den Beifall aus.
    Die Sitzung wird endlich gegen 7 Uhr morgens geschlossen. Über der Stadt dämmert ein kalter, grauer Herbstmorgen. In den sich allmählich erhellenden Straßen erlöschen die brennenden Flecke der Holzfeuer. Die fahlen Gesichter der Soldaten und der Arbeiter mit Gewehren sind verschlossen und ungewöhnlich. Hat es in Petrograd Astrologen gegeben, sie müssen wichtige Himmelserscheinungen beobachtet haben.
    Die Hauptstadt erwacht unter einer neuen Macht. Einwohner, Beamte, Intellektuelle, mit der Arena der Ereignisse nicht verbunden, stürzen sich morgens auf die Zeitungen, um zu erfahren, an welches Ufer die nächtliche Welle sie geschlagen hat. Doch ist es nicht leicht, Klarheit darüber zu gewinnen, was vorgefallen ist. Zwar berichten die Zeitungen, die Verschwörer hätten sich des Winterpalais und der Minister bemächtigt, aber doch nur wie über eine flüchtige Episode. Kerenski sei ins Hauptquartier abgereist, über das Schicksal der Regierung werde die Front entscheiden. Kongreßberichte bringen nur die Erklärungen der Rechten, führen die Namen jener an, die den Kongreß verlassen haben, und entlarven die Ohnmacht der Verbliebenen. Die politischen Artikel, geschrieben noch vor der Einnahme des Winterpalais, atmen wolkenlosen Optimismus.
    Die Gerüchte der Straße entsprechen nicht ganz dem Ton der Zeitungen. Immerhin säßen die Minister ja in der Festung. Von Kerenskis Verstärkungen sei vorläufig nichts zu sehen. Beamte und Offiziere sind erregt und beraten miteinander. Journalisten und Advokaten telephonieren sich gegenseitig an. Die Redaktionen sammeln ihre Gedanken. Die Salonorakel sagen: man müsse die Usurpatoren mit einer Blockade allgemeiner Verachtung umgeben. Kaufleute sind im Zweifel: sollen sie die Läden öffnen oder geschlossen halten. Die neue Behörde befiehlt, die Läden zu öffnen. Die Restaurants werden aufgemacht. Die Trambahn fährt. Die Banken werden von schlimmen Ahnungen gequält. Die Seismographen der Börse zeichnen eine konvulsive Kurve. Gewiß, die Bolschewiki werden sich nicht lange halten, aber bevor sie stürzen, können sie viel Unheil anrichten.
    Der reaktionäre französische Journalist Claude Anet schrieb an diesem Tage: "Die Sieger singen ein Siegeslied. Und mit vollem Recht. Zwischen all diesen Schwätzern haben sie gehandelt ... Heute ernten sie die Früchte. Bravo! Tüchtige Arbeit." Ganz anders schätzten die Menschewiki die Lage ein. "Vierundzwanzig Stunden sind im ganzen seit dem "Siege" der Bolschewiki vergangen", schrieb Dans Zeitung, "aber schon beginnt das historische Geschick sich bitter an ihnen zu rächen ..., um sie herrscht eine Leere, die sie selbst geschaffen haben ..., sie sind von allen isoliert ..., der gesamte beamtete und technische Apparat verweigert ihnen den Dienst ... Sie ... stürzen just im Moment ihres Triumphes in den Abgrund ."
    Von der Beamtensabotage und dem eigenen Leichtsinn ermuntert, glaubten die liberalen und die Versöhnlerkreise seltsamerweise an ihre Straffreiheit. Über die Bolschewiki redete und schrieb man in der Sprache der Julitage: "Wilhelms Mietlinge",

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