Geschichte der Tuerkei
Auftrag, diesen umzusetzen, erhielt die 1933 gegründete
Sümerbank.
Der Plan sah 14 neue Industrieanlagen im Bereich von Fertigung und Bergbau vor. Für den Textilsektor waren allein 22,35 Millionen TL der insgesamt 43,69 Millionen TL vorgesehen. Damals wurden unter anderem die Fundamente der Stahl- und Eisenindustrie von Ereğli (Karadeniz) gelegt. Alle anderen Branchen folgten mit weitem Abstand.
Unter dem Strich wurden im letzten Jahrzehnt Atatürks auf wichtigen Gebieten gute Wachstumsergebnisse erzielt. In Nazilli, Ereğli (Konya) und vor allem Kayseri waren große baumwollverarbeitende Betriebe entstanden, in Gemlik wurde der Grundsteinfür eine Kunstseidenfabrik gelegt. Nach vielen Generationen konnten sich Türken wieder mit Stoffen aus eigener Produktion kleiden. Erstmals konnten sie Tee aus eigenem Anbau (im Raum Rize) mit Zucker aus türkischen Raffinerien (wie in Uşak, Alpullu, Turhal und Eskişehir) süßen. Die Palette exportfähiger Güter bestand weiterhin aus Agrar- und Bergbauprodukten.
Die Außenpolitik Ankaras war von dem weithin erfolgreichen Bemühen bestimmt, zu den Gewinnern und Verlierern des Weltkriegs konstruktive Beziehungen zu unterhalten. Aus dem alten Gegner Griechenland wurde im Laufe der Jahre ein verlässlicher Partner, obwohl auch nach dem Bevölkerungsaustausch noch zahlreiche Fragen offen blieben. Der wiedergewählte griechische Ministerpräsident Venizelos trat 1928 an İsmet İnönü heran, um ihm zu versichern, dass Griechenland keine territorialen Forderungen mehr an die Türkei stelle. Am 10. Juni 1930 wurde in einem Vertrag ein Vermögensausgleich beschlossen. Er betraf Zahlungen für Griechen in Istanbul, deren Eigentum die türkische Regierung beschlagnahmt hatte, und im Gegenzug für Muslime in West-Thrakien, denen das Entsprechende widerfahren war. Die Differenz von 125.000 Pfund Sterling sollte in drei Raten an die Türkei fließen. Einen Höhepunkt der sichtbar verbesserten Beziehungen bildete der Besuch von Venizelos in Ankara im selben Jahr.
Die Türkei erwies sich als wichtigster Stabilitätsfaktor in der Nachkriegsordnung Südosteuropas. An dieser Stelle sei nur der Balkan-Pakt vom 9. Februar 1934 mit Griechenland, Jugoslawien und Rumänien genannt. Der Konsultativpakt von Saadabad vom 8. Juli 1937 mit Afghanistan, dem Irak und Iran war aus türkischer Sicht allein durch die in Artikel 7 in Abstimmung mit Teheran vereinbarte gemeinsame Bekämpfung «bewaffneter Banden» (d.h. Kurden) von Bedeutung. Mit Sorge beobachtete Ankara Mussolinis aggressive Albanien- und Mittelmeerpolitik. Staatsbesuche İsmet İnönüs in Athen, Belgrad und – wie schon erwähnt – in Moskau dienten der Nachbarschaftspflege. Gegenbesuche der vom türkischen Modell faszinierten Herrscher Irans und Afghanistans, aber auch schwedischer und britischer gekrönter Häupter zeigten der Weltöffentlichkeit, dass sich dieneue Türkei von der unilateralen Passivität der Osmanen verabschiedet hatte.
Ausgewählte Entwicklungsdaten 1929–1939
1929
1939
Eisenbahnlinien (km)
5144
7324
Gütertransport der Eisenbahn (MillionenTonnen/km)
356
15.604
Landstraßen (km)
29.636
41.600
Elektrizität (Mill. kWh)
106
353
Steinkohle (1000 Tonnen)
1451
2696
Chromerz (1000 Tonnen)
16
183
Zement (1000 Tonnen)
65
284
Zucker (1000 Tonnen)
8
95
Garne (1000 Tonnen)
23
90
Der bis 1918 große Verbündete Deutschland war durch den Versailler Vertrag von jeder Beteiligung an der künftigen Nachkriegsregelung des Orients ausgeschlossen. In Artikel 155 verpflichtete sich das Deutsche Reich sogar dazu, alle Vereinbarungen über Besitzansprüche anzuerkennen, die von den alliierten und assoziierten Mächten mit der Türkei abgeschlossen wurden, «auf welche Deutschland oder deutsche Reichsangehörige in der Türkei
etwa Anspruch erheben könnten».
Weiter sagte Deutschland in Artikel 259 zu, die Summe herauszugeben, die bei der Reichsbank auf den Namen der türkischen Staatsschuldenverwaltung als Sicherheit für die erste Papiergeldausgabe der türkischen Regierung in Gold hinterlegt worden war. Ungeachtet dieser und anderer anfänglicher Hindernisse wuchsen die deutschen Exporte in die Türkei nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen im Jahr 1924 stark an. 1929 übertrafen sie mit 15 % bereits diejenigen Frankreichs (12 %), und 1933 stiegen sie auf über 25 %. Deutschland profitierte auch vom 1. Fünfjahres-Industrieplan über die Ausfuhr von Eisen und Stahl, Textilmaschinen und Chemieprodukten,
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