Geschichte der Tuerkei
während die Türkei in geringerem Ausmaß ihre klassischen Agrarprodukte lieferte (Rosinen, Nüsse, Feigen, Tabak und Baumwolle).
Im Oktober 1926 wurde ein Junkers-Flugzeugwerk in Kayseri eröffnet, das die seit osmanischen Tagen im Türkei-Geschäft engagierte Baufirma Philipp Holzmann errichtet hatte und das als Ersatz für die eingestellte Produktions- und Übungsstätte der zivilen und militärischen Luftfahrt in der Sowjetunion dienen sollte. Waffengeschäfte wurden trotz des im Versailler Vertrag festgehaltenen Verbots zum Teil über niederländische und schwedische Strohmänner abgewickelt. Zwischen 1925 und 1939 waren deutsche Offiziere als Lehrer an der Kriegs- bzw. Marine-Akademie tätig, einige unmittelbar zur türkischen Armee kommandiert. 1929 erhielt der Deutsche Hermann Jansen den Auftrag, für das auf über 100.000 Einwohner angewachsene Ankara einen Bebauungsplan aufzustellen, «der ihrer Bedeutung als neuer Hauptstadt entsprechen und ihre beabsichtigte Entwicklung in feste Bahnen fassen sollte». Weitere deutschsprachige Architekten wie Holzmeister, Taut, Egli und Bonatz sowie Bildhauer wie Belling, Hanak und Thorak gestalteten die neue Hauptstadt und wirkten als Lehrer an der Istanbuler Akademie der schönen Künste. Jüdische oder politisch unerwünschte Akademiker und Künstler, die durch die Nationalsozialisten aus Deutschland vertrieben wurden, waren maßgeblich am Aufbau der Hochschulen und der Verwaltung beteiligt. Mit Familienangehörigen und Hilfskräften hatten etwa 1000 Personen in der Türkei Zuflucht gefunden. 1933 war in Ankara eine Landwirtschaftliche Hochschule (
Yüksek Ziraat Enstitüsü
) gegründet worden, an der allerdings überwiegend im Rahmen eines bilateralen Abkommens entsandte Deutsche wirkten. Ab 1927 wurde eine wachsende Zahl von Studenten ins Deutsche Reich geschickt, das im Jahr 1937 mit 133 Personen mehr als die Hälfte der 234 türkischen Staatsstipendiaten aufnahm.
Das am 20. Juli 1936 von den Signatarstaaten des Lausanner Vertrags unterzeichnete Montreux-Abkommen beendete die Tätigkeit einer internationalen Meerengen-Kommission und gab der Türkei die Souveränität über die Meerengen zurück. «Montreux» regelt bis heute die Bosporus- und Dardanellen-Durchfahrt für Handels- und Kriegsschiffe unter besonderer Berücksichtigung der Schwarzmeeranrainer in Friedenszeiten, beiKriegsgefahr und während eines Krieges. Die Türkei muss im Frieden allen Flaggen und Ladungen eine unbeschränkte Durchfahrt ohne Lotsenzwang gewähren. Im Zweiten Weltkrieg wurden die Regelungen für eine neutrale Türkei wirksam: Es galten für Handelsschiffe die gleichen Bedingungen wie im Frieden, während Schiffe kriegführender Staaten in ihren Heimathafen zurückkehren durften. Mit der Lösung der Konflikte um Mosul und den
Sancak
war es gelungen, die wichtigsten Probleme mit England und Frankreich auszuräumen. Bei allen verbleibenden Problemfeldern konnte man 1938 sagen, dass Atatürk sein Haus im internationalen Umfeld stabil eingerichtet hatte.
5. Zwischen Wölfen: Erfolgreiche Neutralität (1938–1945)
Wenige Tage nach der Eröffnung des Hatay-Parlaments legte der tödlich erkrankte Atatürk am 5. September 1938 in Dolmabahçe sein Testament nieder. An den Feierlichkeiten zum 15. Jahr der Republik im Stadion von Ankara konnte er nicht mehr teilnehmen. Bei der Eröffnung der Großen Nationalversammlung am 1. November wurde die Ansprache des
Gazis
von Ministerpräsident Celal Bayar verlesen. Am 10. November 1938 verstarb – in den Augen vieler, auch wohlwollender Zeitgenossen «rechtzeitig» – der Gründer der Republik Türkei. Rechtzeitig nicht zuletzt, weil seine Alkoholabhängigkeit in den letzten Lebensjahren zu sehr widersprüchlichen Entscheidungen geführt hatte. Sonderausgaben der Zeitungen veröffentlichten noch am selben Tag eine Regierungserklärung: «Durch dieses schmerzliche Ereignis hat das türkische Vaterland seinen großen Schöpfer, die türkische Nation ihr überragendes Haupt, die Menschheit ihren großen Sohn verloren.» Nach einer Beschwörung der Einheit von Nation und Regierung wurde die Bevölkerung auf den verfassungsmäßigen Übergang zur Nachfolge des Staatsgründers vorbereitet. Nach Artikel 33 habe der Präsident der VersammlungAbdülhalik Renda die Vertretung des Präsidenten der Republik bereits übernommen, nach Artikel 34 werde der neue Staatschef «unverzüglich» gewählt werden. Die türkische Jugend werde die Republik als das
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