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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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Frankreich und Großbritannien, daran machten, innerhalb der erlaubten Parameter konfuzianischer Werte Reformen umzusetzen, wurden sie durch Intrigen am Hof daran gehindert. Vierzig Jahre später stieß ein neuer ernsthafter Versuch, die staatlichen Institutionen zu reformieren, auf den Widerstand der Kaiserinwitwe. Japanische Reformer hatten es da besser. Alarmiert durch die Konzessionen und die Territorien, welche die Briten den Chinesen 1842 abverlangten, und gewarnt durch die eigene Erfahrung, als man 1858 den Amerikanern fünf «Vertragshäfen» öffnen musste, begannen reformorientierte Samurai mit einer nationalistischen Mobilisierung gegen die vermeintliche Schwäche des Tokugawa-Shōgunats. In Japan hatten Konservative bei der Blockade von Reformen weniger Erfolg als in China. Der Hof befand sich nicht in der gleichen Position, um sich persönlich in die Politik einmischen zu können; vielmehr sollte der Kaiser durch die Reform sogar an Einfluss gewinnen. Zudem mischte sich in Japan der Zentralstaat nicht in die Belange der autonomen Fürstentümer ( han ) der reformorientierten daimyō und ihrer Samurai-Beamten ein, die damit tatsächlich so etwas wie Laboratorien der Rationalisierung waren. Es gab anders als in China kein staatliches Prüfungssystem, das konfuzianische und neokonfuzianische Hierarchiekonzepte zur Zulassungsvoraussetzung für den öffentlichen Dienst gemacht hätte; die militärischen Traditionen Japans waren konservativ, ermöglichten jedoch das Aufgreifen moderner Wissenschaft und Technologie.

    Modernisierung um des nationalen Überlebens willen: Chulalongkorn, König von Siam, mit dem Kronprinzen und einigen seiner übrigen 77 Kinder, um 1900. Chulalongkorn, ein Zeitgenosse des reformorientierten Meiji-Kaisers in Japan, schaffte die Sklaverei ab, modernisierte die Regierung, das Militär sowie das Rechts- und Bildungssystem in Thailand und bewahrte seinem Land die Unabhängigkeit angesichts der Briten in Burma im Westen und der Franzosen in Indochina im Osten.
    Andere autoritäre Herrscher konnten ihre Länder ebenfalls davor bewahren, zerstückelt oder absorbiert zu werden, wenn sie Institutionen und Infrastruktur geschickt und bereitwillig modernisierten. Dem thailändischen König Chulalongkorn (der als Rama V. von 1868 bis 1910 regierte, also fast genau gleichzeitig mit dem Meiji-Kaiser) gelang es, die Briten in Burma gegen die für ihn bedrohlicheren Franzosen in Indochina auszuspielen. Er richtete ein funktional organisiertes Kabinett ein, reformierte Militär, Fiskal- und nationales Bildungssystem und baute Eisenbahnlinien und Telegraphenleitungen überall im Land aus. Kaiser Menelik II. von Äthiopien (r. 1889–1909/13) regierte ein ärmeres Land, fügte italienischen Truppen jedoch erstaunliche Niederlagen zu und begründete ein Ministerialsystem.[ 142 ]
    Globale Revolution
    Norman Angell hatte den Mut, in seiner 1910 erschienenen Untersuchung über den internationalen Kapitalismus mit dem Titel The Great Illusion (die noch im gleichen Jahr auf Deutsch unter dem Titel Die große Täuschung. Eine Studie über das Verhältnis zwischen Militärmarkt und Wohlstand der Völker vorlag) zu prophezeien, das, was Historiker heute als die erste Globalisierung bezeichnen – das engmaschige und sich rasch weiter verdichtende Netz der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen zwischen den Nationen Anfang des 20. Jahrhunderts –, werde einen großen Krieg verhindern. Er hatte bekanntlich Unrecht. Die Globalisierung brachte keinen Frieden mit sich.
    Ohne die Zukunft vorhersagen zu müssen, konnte Lenin 1916 davon sprechen, die erste Globalisierung (die er als Imperialismus interpretierte) habe zwangsläufig in einen großen Krieg münden müssen. Wir können nicht sagen, dass er Unrecht gehabt hätte – wir können aber auch nicht bestätigen, dass er Recht hatte.
    Durchaus begründen hingegen lässt sich die These, dass die Globalisierung zur Revolution beitrug, als in Mexiko, Eurasien und China Regime zusammenbrachen. Das bedeutete, dass die Revolution nicht die Industriegesellschaften Westeuropas und Nordamerikas traf (es sei denn, eine militärische Niederlage diskreditierte die dortigen Herrscher), sondern die großen, verwundbaren Staaten, auf welche die imperialistischen Rivalen und das sie begleitende Kapital ein Auge geworfen hatten. Die Machenschaften der amerikanischen Zuckerinteressen in der Karibik und auf Hawaii und selbst den kubanischen Aufstand gegen die spanische Herrschaft zu

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