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Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
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den 1870er und 1880er Jahren auf dem europäischen Kontinent, in den USA und in Mexiko politischen Restriktionen ausgesetzt gewesen. Die Erste Internationale hatte sich nach der Niederschlagung der Pariser Kommune gespalten; Bismarck hatte die SPD 1878 verboten; und in vielen Ländern bekamen es streikende Arbeiter mit Soldaten und Richtern zu tun. Doch 1889 gründete sich eine Zweite Internationale; die SPD wurde 1890 wieder zugelassen, die Arbeiterorganisationen wuchsen und intensivierten ihre Tätigkeit. In allen Industrieländern nahm die Streikaktivität zu, und nach 1905 wurde nicht mehr nur für höhere Löhne, sondern auch für größeren politischen Einfluss gestreikt. Die russische Revolution von 1905 trug dazu bei, die Aktivisten in Deutschland und Frankreich aufzurütteln. So manchen Sprechern der Arbeiterbewegung schwebte vor, Organisationen am Arbeitsplatz könnten die gewählten Parlamente und sogar die sozialistischen Parteien ersetzen und zur Basis einer neuen demokratischen Politik werden. Zur Zeit der Revolution von 1905 propagierten die Bolschewistenführer Arbeiterräte (oder Sowjets) als Avantgarde einer proletarischen Ordnung.
    Ein solcher Anarchosyndikalismus schien sogar die britischen Gewerkschaften zu erfassen, die sich früher am ehesten mit Forderungen nach besserem Arbeitsschutz und Lohnzuwächsen begnügt hatten. Auf der Linken berauschten sich manche an Visionen von einem Gesellschaftskrieg – man denke nur an Jack Londons reißerische Schilderung des Kampfes um Chicago in seinem Roman The Iron Heel ( Die eiserne Ferse , 1908). Umgekehrt jagte diese Aussicht den Konservativen offenkundig Angst ein, von denen viele einen blutigen Aufstand nach Art der Pariser Kommune 1871 befürchteten. Doch es gab noch extremere Positionen: Das bevorstehende Armageddon verschaffte einigen Autoren geradezu einen Adrenalinschub, weil sie glaubten, es werde einer erschöpften und dekadenten Gesellschaftsordnung endlich wieder neue Kraft einhauchen. Georges Sorel, Ingenieur in Paris, und Vilfredo Pareto, italienischer Ökonom, der in Lausanne lehrte, antizipierten die bevorstehenden Zusammenstöße mit Begeisterung, und nicht weniger freute sich die Künstlerbewegung der italienischen Futuristen auf einen reinigenden hygienischen Krieg. Privilegierte französische Studenten waren der Meinung, ein neuer Krieg sei immer noch besser als das «ewige Warten». Der Liberalismus war eine Geisel des ennui ebenso wie der sozialen Spaltungen.[ 141 ]
    Noch schwerer zu erfüllen als die Forderungen des Proletariats oder die Ungeduld der Intellektuellen mit dem politischen Kompromiss waren die Forderungen nach nationaler Repräsentation in Vielvölkerstaaten. Die Iren, die im frühen 19. Jahrhundert Sitze im britischen Parlament bekommen hatten, also zu einer Zeit, da nur Protestanten (weitgehend Landbesitzer) kandidieren durften, verlangten «home rule» oder nationale Autonomie mit einem irischen Parlament, doch protestantische Loyalisten widersetzten sich diesem Ansinnen und zwangen die konservative Partei sowie das britische Parlament, die Entscheidung darüber zu verschieben. Beide Seiten standen Anfang des 20. Jahrhunderts kurz davor, zu den Waffen zu greifen. Zwar wurde am Vorabend des Ersten Weltkriegs schließlich eine dritte Home Rule Bill verabschiedet, diese wurde jedoch erst einmal auf Eis gelegt, bis die Frage der protestantischen Grafschaften (Ulster) geklärt war. Als dies nicht geschah, kam es Anfang der 1920er Jahre zum nationalen Aufstand der Iren, den die Briten mit Hilfe paramilitärischer Einheiten niederzuschlagen versuchten ( Black and Tan War ), und ein Teil der nationalistischen Sinn-Féin-Rebellen war bereit, sich in den Friedensgesprächen mit einem «irischen Freistaat» ohne die nördlichen Gebiete in Ulster zu begnügen. Mit viel größeren und vielfältigeren ethnischen Aufständen als die Briten hatten Österreich-Ungarn und das Osmanische Reich zu kämpfen. Im frühen 19. Jahrhundert lösten sich erste nationale Gruppen schrittweise von den Osmanen (Griechenland, Serbien, Rumänien), dann wieder in den 1870er Jahren (Bulgarien) oder sie wurden von konkurrierenden Großreichen übernommen wie in Nordafrika.
    Was die größte Kolonie der Welt anbelangt, so reichte die Kontrolle über Britisch-Indien aus, um Rufe nach stärkerer nationaler Repräsentation zum Schweigen zu bringen. Indien wurde natürlich wie ein Imperium regiert, durch eine aus London entsandte Regierung. Es gab dort

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