Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition)

Titel: Geschichte der Welt 1870-1945: Weltmärkte und Weltkriege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Osterhammel , Emily S. Rosenberg , Akira Iriye
Vom Netzwerk:
Versuch, traditionelle kulturelle Ressourcen mit Entwicklungsmodellen zu verknüpfen, die begeistert von außen übernommen wurden. Die warlords kämpften weiterhin um die Macht, doch Ende der 1920er Jahre schienen Jiangs Armee und Partei – die bald eher auf deutsche als auf russische Berater setzten – bereit zu sein, Peking einzunehmen (was die japanische Militärregierung in der Region dazu veranlasste, 1932 den Marionettenstaat Mandschukuo unter der nominellen Herrschaft des letzten Qing-Kaisers «Henry» Pu Yi einzurichten). Letztlich konnten weder chinesische Armeeführer noch die revolutionären Parteien für sich allein einen deutlichen Erfolg verbuchen, sie mussten ihre Bemühungen zumindest teilweise bündeln, was sich bis heute an der starken Rolle ablesen lässt, welche die Volksbefreiungsarmee im kommunistischen Staat spielt.[ 153 ]
    Im Allgemeinen gelten Wirtschaftswachstum und wirtschaftliche Entwicklung als wichtige Aspekte auf dem Weg zum politischen Liberalismus. Während des Kalten Krieges hegten die meisten amerikanischen Sozialwissenschaftler keinerlei Zweifel daran, dass beides zusammengehörte. Vielleicht galt das für Zeiten, da Entwicklung «heimische» Wurzeln hatte, doch die ökonomischen und finanziellen Fortschritte zwischen 1895 und 1914 konnten keine liberalen Resultate garantieren, denn sie entfalteten sich im Kontext globaler Ungleichheit, die das Zeitalter des Hochimperialismus bestimmte. Die epochalen Revolutionen in Russland, China, Mexiko, Iran und der Türkei mobilisierten ohne jeden Zweifel massenhaft Bauernfamilien, Arbeiter und Stadtbewohner über alle Klassengrenzen hinweg. Sie erweckten neue nationalistische Strömungen zum Leben und förderten kulturelles Erwachen: Intellektuelle träumten von erwachenden Nationen, ließen sich jedoch gleichzeitig durch genau dieses Erwachen anregen, das sie voranzubringen und zu beeinflussen versuchten.
    Doch die Wucht der Masse und die breiten religiösen und sozialen Bewegungen, deren Freiwillige auf der halben Welt von zu Hause auf die Plätze der Städte strömten, ließen sich durch Verfassungs- und Parlamentsdebatten nicht so leicht im Zaum halten. Als sich diese rohen und dynamischen – mitunter gewaltsamen – ideologischen Transformationen über einen Zeitraum von üblicherweise mindestens zwei oder drei Jahrzehnten vollzogen, disziplinierten die entschlossenen Kader engagierter Parteien und aus dem Militär deren mitunter großzügige, oftmals aber auch intolerante Kräfte. Die Welt des 20. Jahrhunderts, die aus dieser Welle globaler Revolution entstand, war eine stärker partizipatorische, aber nicht zwangsläufig eine freiere. Oder genauer: Die Fesseln privater Unterwerfung – unter Lehnsherren, lokale Bosse, Bergwerks- und Fabrikbesitzer – wurden oftmals nicht gegen liberale Werte eingetauscht (die für so viele die privaten Fesseln der Unterwerfung zu verstärken schienen), sondern gegen die Fesseln staatlicher Disziplin. Ironischerweise leisteten ausgerechnet diejenigen Länder, die zu Hause Exponenten des Liberalismus waren, aber auch diejenigen, die von den bürgerlichen Tugenden ökonomischer Expansion überzeugt waren, einen wichtigen Beitrag, die riesigen Länder außerhalb Europas (und seiner Ableger) in die Turbulenzen einer vom Ausland kontrollierten Entwicklung, revolutionären Protests und militärischer sowie Einparteienlösungen zu stürzen. Sechzig oder siebzig Jahre später sollten diese Experimente, die nach ihrer Konsolidierung in den 1920er Jahren immer wieder ihre Dysfunktionalität bewiesen haben, schließlich der Art von Welt weichen, die ihre frühen Vertreter im Auge gehabt hatten.
    Politik als Krieg:
Bolschewismus und Faschismus
    Niemand kann sagen, wohin diese weit verbreiteten Turbulenzen geführt hätten, wenn nicht 1914 in Europa der Krieg ausgebrochen wäre und sich zu einem so langgezogenen, beispiellosen Konflikt entwickelt hätte. Wo es um Wirtschafts- und Wahlfragen ging, hätte ein schrittweiser Kompromiss vielleicht eine Chance gehabt: Schon vor 1914 hatte es Wahlrechtsformen und Sozialgesetze gegeben. Eine unruhige russische Republik wäre möglicherweise ab 1920 zur Ruhe gekommen. Benachteiligte ethnische Gruppen in den USA und in Südafrika hätten noch lange auf Wahlrecht und Bürgerrechte warten müssen – was dann ja auch tatsächlich so war. Nationalistische Bestrebungen hingegen hätten vermutlich weniger lang gewartet, und es ist nur schwer vorstellbar, wie eine Lösung

Weitere Kostenlose Bücher