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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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ist also der Stoff, aus dem die Gene sind. Dies wusste man 1952. Aber das war zunächst auch alles.
    Wer in die Originalarbeit von Hershey und Chase hineinschaut, wird finden, dass das entscheidende Ergebnis über die DNA zwar deutlich erwähnt wird, aber den Messdaten nicht so leicht und klar zu entnehmen ist, wie behauptet wird. Die Vorbereitung des technisch keineswegs simplen Nachweises bestand darin, Phagen radioaktiv zu markieren, die bakteriellen Viren also so zu züchten, dass sie radioaktive Atome in ihre Moleküle einbauen. Der Trick des ganzen Versuchs beruht darauf, dass Schwefel zwar in Proteinen, nicht aber in der DNA vorkommt, und dass umgekehrt Phosphor zwar in der DNA, nicht aber in einem Protein zu finden ist. Im konkreten Experiment schaut man für verschiedene Phasen im Leben eines Phagen nach, wo sich der radioaktive Schwefel oder der entsprechende Phosphor befindet; dabei kommt es darauf an, das, was im Bakterium innen ist, von dem zu trennen, was außen bleibt.
    Tatsächlich sind die technischen Details sehr verwickelt, und sie hätten mehr Anlass zur Skepsis geben können als Averys Daten von 1944. Wer es auf den Punkt bringen will, kann sagen, dass Averys Nachweis von DNA als Erbsubstanz sauberer und überzeugender ist als der von Hershey und Chase. Doch während Avery noch auf das Vorurteil seiner Kollegen traf, die in den Proteinen das genetische Material vermuteten, hatte sich bis 1952 unter den Molekularbiologen die Stimmung geändert, also bis zu der Zeit, als das Experiment mit den Phagen gemacht wurde. Während vorher alle nur an Proteine dachten, nahm im Laufe der Zeit - aus bislang weder unmittelbar einsichtigen noch ausführlich recherchierten Gründen - die Popularität der DNA zu. Die Auswirkung einer wissenschaftlichen Feststellung hängt eben nicht nur von der Qualität ihrer Ermittlung, sondern stark von den Erwartungen der Kollegen und von vielen anderen Faktoren ab.
Die Doppelhelix
    Im Rückblick lautet im Jahr 1952 die nächste offensichtliche Frage natürlich, wie denn die DNA aufgebaut ist und wie das Makromolekül aussieht, aus dem die Gene bestehen müssen. Doch zunächst waren es nicht gerade viele Genetiker, die sie konkret gestellt haben. Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer ist die Schwerfälligkeit der Forschung, die der eines Tankers ähnelt. Wenn in einem Laboratorium seit Jahren an einem Thema gearbeitet wird, wenn alle entsprechenden Kenntnisse und Gerätschaften vorhanden sind und man für die Lösung einer bestimmten Aufgabe finanziert wird, dann wird oft erst einmal auf gewohnten Bahnen weitergemacht, statt neue Forschungsprogramme zu entwerfen.
    Ein weiterer Grund bestand darin, dass die DNA trotz allem immer noch »ein dummes Molekül« zu sein schien, wie Delbrück meinte, nachdem er sich erkundigt hatte, aus welchen Bausteinen die Nukleinsäure bestand. Da gab es vier Basen, da gab es eine Phosphatgruppe und da gab es einen Zucker. Die Chemiker wussten zudem, dass je eine Base mit den beiden anderen Molekülen eine besondere Untereinheit bildete, die man Nukleotid nennt. Aus den vier Basen können vier Nukleotide entstehen, und unter diesem Aspekt ist die DNA ein Tetranukleotid, und das schien Delbrück ziemlich wenig »a stupid molecule«, wie er urteilte, um sich anderen Aufgaben zuzuwenden.
    Gar nicht dumm kam die DNA dem jungen James D. Watson aus Chicago vor, der bei Luria promoviert hatte und sich 1952 in Europa aufhielt, um mehr Biochemie zu lernen. Watson warfest von Qualität und Bedeutung des Versuchs überzeugt, mit dem Hershey und Chase die Rolle der DNA nachgewiesen hatten, und er war zudem instinktiv sicher, dass die Erbmoleküle von Phagen und Menschen irgendwie verwandt sein müssen, denn schließlich gilt es in beiden Fällen, dieselbe Aufgabe zu lösen: sich zu verdoppeln. Wenn der Phage DNA als Erbsubstanz besitzt, die Bakterien ebenso, dann gibt es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die Natur immer zu diesem Mittel greift. Die DNA soll ja nicht das ganze Leben erklären, sondern nur dessen Fähigkeit, sich verdoppeln zu können. Gene besitzen diese Qualität. Sie wird ihnen von der Substanz verliehen, aus der sie bestehen - also von der DNA -, und um das zu verstehen, muss man wissen, wie DNA aussieht. So dachte Watson und fragte sich, wo sich das herausfinden lässt. Wo gibt es ein Laboratorium oder eine Institution, in deren Räumen man dieser Frage nachgehen kann?
    Bei seinen dazugehörigen Erkundigungen fiel sein Blick auf die

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