Geschichte des Gens
britische Universitätsstadt Cambridge, in der man nach dem Krieg begonnen hatte, ein Laboratorium für die Strukturbestimmung von Makromolekülen einzurichten. Grundlage all der Arbeiten war die physikalische Technik der Röntgenstrukturanalyse, die in den frühen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts entwickelt worden war. Sie erlaubte es im strengen Sinn nur, die Struktur von Kristallen zu erkunden, aber nachdem die Biochemiker Wege gefunden hatten, nicht nur winzige Moleküle wie Kochsalz, sondern auch Makromoleküle wie DNA zu kristallisieren, stand dieser Weg zur Strukturbestimmung der Erbsubstanz plötzlich offen, und Watson wollte versuchen, ihn in Cambridge zu gehen. Ein mutiger Schritt, denn der junge Amerikaner hatte keine Ahnung, wie man DNA erst aus Zellen und Gewebe isolierte und dann in Kristalle verwandelte. Watson wusste zwar, dass man einen Röntgenstrahl durch diesen Kristall schickte und dessen vielfache Ablenkungen aufzeichnete, aber er hatte keine Ahnung, wie man mit den dann gewonnenen Daten weiter vorgeht, um Modellvorstellungen zu entwickeln. Er wusste nur, was er suchte, nämlich eine Molekülstruktur, die sich verdoppeln konnte, und er hatte den Eindruck, dass die anderen Wissenschaftler, die fleißig und sorgfältig isolierten, kristallisierten und kalkulierten, diesen biologischen Aspekt aus den Augen verloren hatten.
In Cambridge traf er mit Francis Crick zusammen, der ihm half, einige grundlegende Kenntnisse der Röntgenstrukturanalyse zu verstehen. Zusammen betrachteten die beiden die immer besser werdenden Aufnahmen, die vor allem aus dem Laboratorium von Rosalind Franklin kamen und die nach und nach deutlich eine Struktur erkennen ließen, die wie ein Kreuz aussah. Crick bewies und erklärte Watson, dass ein solches Kreuz mit seinen zwei Linien auf eine Struktur schließen ließ, die erstens aus zwei Teilen bestehen und zweitens schraubenförmig gebaut sein müsse. Es musste also eine Doppelhelix sein, wie Crick bemerkte, ohne zu wissen, dass Watson genau so etwas mit seinem Blick auf die Biologie suchte.
Der Weg, der von der allgemeinen Idee einer Doppelhelix zu ihrer konkreten Umsetzung und einer molekularen Vorstellung führt, war damit noch nicht zurückgelegt. Er war auch nicht leicht zu gehen und benötigt eine Menge Informationen, die viele andere Wissenschaftler beigetragen haben. Aber er ist von Watson und Crick in Angriff genommen und bis zum Frühjahr 1953 durchlaufen worden. Die wesentliche Eigenschaft des Duos scheint der Mut zur Interdisziplinarität gewesen zu sein. Während sich ihre Kollegen auf ihre jeweilige Spezialität konzentrierten und alle Details der Biochemie, der Kristallographie, der Bakteriologie und vieler anderer Disziplinen kannten, versuchten Watson und Crick zusammenzuklauben, was am Baum der Erkenntnis in den verschiedenen Gebieten gewachsen und verfügbar war. Sie hielten sich nicht mit der Lektüre von Lehrbü-chern auf und beschlossen eines Tages auch, nicht allen Tatsachen zugleich Rechnung zu tragen, die von Experimenten gemeldet wurden. Solch ein Verfahren riskiert den völligen Flop, wie ihn Watson und Crick auch mit einem ersten Modell erlebten, doch das Glück war dem Duo hold und im Februar 1953 stießen sie auf die Lösung. Bereits im April desselben Jahres erschien in der britischen Zeitschrift Nature ihr berühmt gewordener Vorschlag für die Struktur der DNA, und mit ihm tritt die elegante Doppelhelix eine erstaunliche Karriere an und wird zu dem, was man zweifellos eine Ikone unseres Zeitalters nennen könnte. Die Doppelhelix gibt es in vielen Darstellungen (Abbildung 8), von denen hier zwei gezeigt werden.
Die wissenschaftliche Bedeutung der Doppelhelix liegt darin, dass die Struktur unmittelbar erkennen lässt, welche Funktionen die DNA übernehmen kann - die beiden Stränge scheinen einem die Möglichkeit der Verdopplung geradezu aufzudrängen, und die lineare Anordnung der Basenpaare im Zentrum stellt die genetische Information dar (Replikation) . Zudem können wir nun genau sagen, was ein Gen ist, nämlich ein Stück DNA.
EIN KLARES BILD
Viele Wege führen zu den Genen, und einen haben wir bislang unbeachtet gelassen, nämlich den biochemischen Pfad. Neben der traditionellen Route des Fliegenteams mit seinen klassischen Kreuzungsexperimenten, dem biophysikalischen Zugang über die Einwirkung von Strahlung und dem mit statistischen Analysen operierenden Ansatz der Mikrobiologie gab es bereits in den frühen vierziger Jahren einen
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