Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
Vom Netzwerk:
Verbreitung von Zeitungen, Büchern und Listen aller Art hinzuweisen. Auch wissenschaftliche Innovationen wurden auf diese Weise (wie über das Zusammentreffen von Wissenschaftlern und Praktikern in einschlägigen Veranstaltungen und Vereinen) öffentlich bekannt gemacht, wenn auch sicher eher in kleineren Zirkeln. Nützliches Wissen war hochgeschätzt, es wurde zum Gegenstand professioneller Vermittler, die an seiner Verbreitung verdienten.
    Besuchern vom Kontinent fielen das Unterhaltungsbedürfnis und die Spielleidenschaft der Engländer auf, ebenso ihre Gier nach Neuem. Im 18. Jahrhundert wurden Glücksspiele und Sport kommerziell betrieben, Wettleidenschaft paarte sich mit der Neigung zur kühlen Kalkulation von Wahrscheinlichkeiten, und dies bei verschiedenen Gelegenheiten: bei Pferderennen,Cricketturnieren und Hahnenkämpfen, oder auch bei Lotterien und an der Börse. Kultur- und Unterhaltungsindustrien erlebten einen Aufstieg. Es ist bemerkenswert, wie positiv große Aufklärer über Spiel, Spekulation und Unterhaltung gesprochen haben: als förderliche Voraussetzungen der
civil society
und ihrer Tugenden. Dies war keine plutokratische Gesellschaft, eine gewisse Verachtung des Geldes wurde bei Hof oder in den besseren Zirkeln mit ihrer aristokratischen Einfärbung gern zur Schau gestellt. Klassendifferenzen waren ausgeprägt und wurden stärker: was die
coffee houses
den einen, waren
brandy houses
den anderen. Gentlemen’s Clubs schotteten sich ab, während Arbeiter begannen, ihre eigenen
friendly societies
zu entwickeln. Die Kultur der kleinen Leute auf dem Lande war eher an überkommenen Gewohnheiten und Vorstellungen von «Fairness», weniger an Gewinn und Fortschritt orientiert, wenngleich auch schon von Marktbeziehungen beeinflusst. Aber die aufgeführten Beispiele zeigen, dass die soziale Kultur in englischen Städten des 17. und 18. Jahrhunderts in gewisser Entsprechung zu den Prinzipien der sich durchsetzenden kapitalistischen Wirtschaft stand, ihren Durchbruch erleichterte und umgekehrt von ihr geprägt wurde.[ 55 ]
    Einflussreiche Intellektuelle des 18. Jahrhunderts bahnten den Weg für eine nicht nur ökonomische, sondern auch philosophische und moralische Aufwertung des Kapitalismus, wenn sie dieses Wort auch nicht verwendeten, sondern etwa von «trade» oder «commercial society» sprachen. Bis ins 16. und 17. Jahrhundert hatten in den Theologien, Philosophien und Staatstheorien Europas kapitalismusskeptische bis kapitalismusfeindliche Stimmungen dominiert. Diese Skepsis wurde beispielsweise im republikanischen Humanismus der Renaissance mit Anleihen beim wiederentdeckten Aristoteles verstärkt und im Zeichen der Verteidigung gemeinwohlbezogener Tugenden gegen Eigennutz, privaten Reichtum und Korruption ausformuliert. Die wichtigste Wurzel der Kapitalismusskepsis war jedoch die christliche Morallehre, die im Namen brüderlicher Nächstenliebe und tugendhafter Selbstlosigkeit die Wahrnehmung von Eigeninteresse, die Anhäufung von Reichtum und vor allem jedes gewinnbringendeGeldgeschäft ablehnte. Zwar haben Reformation und Gegenreformation eine «neuzeitliche Religiosität» hervorgebracht, die die «Welthaltigkeit des Glaubens» (Schilling) betonte und zur Aufwertung von Arbeit und Beruf beitrug. Max Weber hat die Förderung des kapitalistischen Geistes durch puritanisch-calvinistische Ethik betont, und zweifellos gab es vor allem in den konfessionellen Minderheiten (Mennoniten, Quäker) Unternehmer, auf die das Argument zutraf.[ 56 ]
    Jedoch ergab sich eine durchgreifende Aufwertung des Kapitalismus erst aus dem Geist der Aufklärung. Unter dem Eindruck der zerstörerischen Kriege ihrer Zeit arbeiteten Autoren wie Grotius, Hobbes, Locke und Spinoza an der Neubestimmung zivilgesellschaftlicher Tugenden mit säkularisierender Stoßrichtung und im Zeichen von Menschenrechten, Freiheit, Frieden und Wohlstand. In dezidierter Abwendung vom alteuropäischen
mainstream
lobte Montesquieu 1748 den Handel als zivilisierende Kraft, die zur Überwindung von Barbarei, zur Besänftigung von Aggressionen und zur Verfeinerung der Sitten beitrage. Er sprach vom «sanftem Handel» («doux commerce»). Andere Autoren stießen in dasselbe Horn, u.a. Bernard de Mandeville und David Hume, Condorcet und Thomas Paine, also vor allem Engländer, Franzosen und Niederländer. Das allgemeine

Weitere Kostenlose Bücher