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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Wohl, so die Stoßrichtung der Argumente, werde gerade durch die vernünftige Verfolgung von Eigeninteressen gefördert. Der Vorteil des Einen müsse nicht der Nachteil des Anderen sein. Geschäft und Moral stünden nicht in notwendigem Gegensatz. Der Markt helfe mit, den Krieg der Leidenschaften durch das Eintreten für Interessen zu ersetzen. Er fördere Tugenden wie Fleiß und Beharrlichkeit, Rechtschaffenheit und Disziplin. Insgesamt schälte sich eine prinzipielle Bejahung der neuen kapitalistischen Tendenzen heraus. Man erwartete nicht nur, dass sie den Wohlstand vermehren, sondern auch dass sie dazu beitragen würden, eine bessere Ordnung des menschlichen Zusammenlebens zu schaffen, und zwar ohne willkürliche staatliche Eingriffe, mit Respekt für die Freiheit und die Verantwortung der Einzelnen sowie mit der Fähigkeit, Konflikte durch Kompromisse statt durch Krieg zu lösen.[ 57 ]
    Die systematischste Ausformulierung dieser einerseits realistischen,andererseits utopischen Sicht legte 1776 der schottische Aufklärer Adam Smith in seiner Schrift «An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations» vor. Smith präsentierte nicht nur eine scharfsinnige Analyse zentraler Elemente des kapitalistischen Wirtschaftens: Arbeitsteilung, Handel, Kapitalbildung, Angebot und Nachfrage, Preismechanismen und, ganz zentral, die Fähigkeit, auf kurzfristige Belohnung im Blick auf langfristigen Nutzen zu verzichten. Er lobte die Freiheitsspielräume, die mit Tauschvorgängen (auch beim Tausch von Arbeitskraft gegen Lohn) Hand in Hand gehen, im Unterschied zu den drückenden persönlichen Abhängigkeiten, die er aus der Sklavenhalterei, der Leibeigenschaft und dem herkömmlichen Gesindedienst kannte und ablehnte. Er setzte keineswegs einseitig auf «laissez-faire», soviel Raum er den Eigeninteressen und Entscheidungen der einzelnen Marktteilnehmer auch zubilligte; vielmehr wies er auch dem Staat und der Zivilgesellschaft wichtige Funktionen zu, ohne die, wie er wusste, eine Marktwirtschaft nicht funktioniert. Er war auch weit entfernt davon, ein Bild des Menschen als eines eindimensionalen
homo oeconomicus
zu entwerfen. Zwar baute er auf das Eigeninteresse der Menschen als eine verlässliche Handlungsgrundlage. Aber er war nicht nur Ökonom, sondern auch Moralphilosoph. Er plädierte dafür, die Eigenliebe der Individuen nicht zurückzudrängen, aber ihnen eine Richtung zu geben, dass sie zur Förderung des Allgemeinwohls beitragen könnten. Diese Richtungsgebung allerdings könne man nicht dem Markt (allein) überlassen, vielmehr brauche es dafür öffentliche Moral und klug gebaute Institutionen, insbesondere zur angemessenen Regelung des Verhältnisses von Regierung, Gesellschaft und Markt. Smith kritisierte viel an der britischen Wirtschaftspolitik seiner Zeit, insbesondere ihre noch immer merkantilistische und auf Monopole setzende Außenwirtschaftspolitik. Die «commercial society», die er beschrieb, war ein in der Zukunft zu erreichendes Ziel. Er war ein Reformer. Aber er befand sich in Übereinstimmung mit den meisten Trends, die in diesem Kapitel als Erweiterung und Aufstieg des Kapitalismus, besonders in England, beschrieben worden sind.[ 58 ]
    Die von Smith und anderen Aufklärern des 18. Jahrhunderts angebotene Interpretation des sich durchsetzenden Kapitalismus als
doux commerce
und Chance des gesellschaftlichen Fortschritts blendete einige seiner Schwächen aus oder rechnete sie den noch nicht hinreichend reformierten Institutionen zu, so etwa das Verhältnis von Gewalt und Geschäft in der außereuropäischen Welt dem Merkantilismus. Sie übersah die Elemente des Zwanges, die in der Durchsetzung des Kapitalismus eine wichtige Rolle spielten, etwa bei der Privatisierung von Gemeindeland und dem damit verbundenen Verlust der Existenzgrundlage von Teilen der ländlichen Bevölkerung. Wo immer sich der Kapitalismus, schon in jener Epoche, massiv durchsetzte, nahm die soziale Ungleichheit zu, wenngleich der Lebensstandard insgesamt stieg. Die Früchte des wachsenden Wohlstands, die Smith beschreibt, waren sehr ungleich verteilt.[ 59 ] Smith wusste das, aber räumte dem Befund in seinem Gedankengebäude keinen großen Stellenwert ein.
    Andererseits: Adam Smith legte das beeindruckende Konzept einer Wirtschaftsordnung vor, das zu einer Gesellschaft der vernünftigen Individuen passte,

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