Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Verfassung, die Norwegen zu einer konstitutionellen Monarchie machte. Da die Alliierten das neue Königreich nicht anerkannten und Schweden schließlich Waffengewalt anwandte, dankte Christian Friedrich Anfang November 1814 ab. Zum neuen König von Norwegen wählte die Volksvertretung, das Storting, König Karl XIII. von Schweden. Die Personalunion, die auf Grund der völkerrechtlichen außenpolitischen und militärischen Befugnisse des Königs auch manche Züge einer Realunion trug, dauerte bis zu ihrer Auflösung durch eine Volksabstimmung der Norweger im Juni 1905. Die Verfassung vom Mai 1814 konnte Norwegen auf Drängen der Alliierten beibehalten. Sie war, auch in der überarbeiteten Fassung vom 4. November 1814, nach damaligen Maßstäben ein durchaus fortschrittliches Dokument – mit einer bezeichnenden Einschränkung: Die evangelisch-lutherische Religion wurde als Staatsreligion beibehalten, Jesuiten- und Mönchsorden wurden nicht geduldet und «Juden auch fernerhin vom Eintritt in das Reich ausgeschlossen».
Die Ereignisse auf der Pyrenäenhalbinsel und in Skandinavien standen im Schatten der Endphase des Krieges, den die Verbündeten, unter ihnen jetzt auch Staaten des ehemaligen Rheinbundes, gegen das napoleonische Frankreich führten. Ende Dezember 1813 hatten österreichische und preußische Truppen den Rhein bei Basel und Koblenz überschritten. Der Vormarsch auf Paris gestaltete sich schwieriger als erwartet und nahm insgesamt ein Vierteljahr in Anspruch. Schwierigkeiten bereitete auch die politische Vorbereitung des Friedensschlusses. Der britische Außenminister Castlereagh wollte ähnlich wie Metternich im Interesse eines neuen europäischen Gleichgewichts Frankreich möglichst schonend behandeln, während für Zar Alexander der rasche Sturz Napoleons Vorrang vor allem anderen hatte. Was Österreich, Rußland, Preußen und Großbritannien am 9. März 1814 im Vertrag von Chaumont vereinbarten, lag ganz auf der Linie Londons: Der Krieg sollte energisch fortgeführt, Frankreich auf seine vorrevolutionären Grenzen zurückgeführt werden, die bis 1792 gegolten hatten.
Die letzten Schlachten wurden von den Verbündeten gewonnen. Am 30. März kapitulierte Paris. Am 31. März konnten Zar Alexander und König Friedrich Wilhelm an der Spitze ihrer Truppen in die französische Hauptstadt einziehen. Am 2. April 1814 beschloß der Senat, ein Napoleon bislang unbedingt ergebenes Verfassungsorgan, die Entthronung des Kaisers. Die Erbansprüche der Familie Bonaparte wurden in derselben Entschließung für null und nichtig erklärt. Zwei Tage später, am 4. April, lief Marschall Marmont an der Spitze seines Elitecorps mit 12.000 Mann zu den Alliierten über.
Napoleon, der zuletzt im Rücken der feindlichen Armeen gekämpft hatte, entschloß sich erst am 6. April nach langen Beratungen mit den ihm treu gebliebenen Marschällen, die Forderung der Verbündeten nach bedingungsloser Abdankung zu erfüllen. Die Alliierten gestanden ihm dafür die Beibehaltung des Kaisertitels und die Herrschaft über die Insel Elba vor der toskanischen Küste zu. Am 3. Mai hielt der Mann in Paris Einzug, der nach einer Vereinbarung der verbündeten Mächte fortan an der Spitze Frankreichs stehen sollte: Ludwig XVIII., vordem Prinz Louis Stanislas Xavier Comte de Provence, ein 1755 geborener Bruder des hingerichteten Königs Ludwig XVI., seit 1792 Haupt der royalistischen Emigranten. (Als «Ludwig XVII.» galt offiziell Louis Charles, der 1795 an den Folgen der Kerkerhaft im Alter von zehn Jahren verstorbene Sohn Ludwigs XVI.)
Um die Franzosen mit der Bourbonenmonarchie zu versöhnen, fielen die Bedingungen des Pariser Friedensvertrags vom 30. Mai 1814 milde aus: Das Königreich Frankreich umfaßte nicht nur das Staatsgebiet von 1792, also unter Einschluß von ganz Lothringen und dem Elsaß, es erhielt darüber hinaus das pfälzische Landau sowie das Gebiet um Saarbrücken und Saarlouis. Über die europäische Friedensordnung im weiteren Sinn sollte ein Kongreß in Wien beraten und beschließen. Im Hinblick auf einige wichtige Fragen legte der Friedensvertrag den Kongreß bereits im voraus fest: Österreich sicherte sich den Besitz Venetiens und der Lombardei; Belgien und Holland sollten zu einem Königreich unter dem Haus Oranien vereinigt und in Deutschland ein Föderativverband unabhängiger Staaten geschaffen werden.[ 48 ]
Die «Charte» und die «Hundert Tage»: Napoleons endgültiger Sturz
Eine gesellschaftliche Umwälzung
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