Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Bundesterritoriums, sondern auch, da sie nie einen Teil des Heiligen Römischen Reiches gebildet hatten, Ost- und Westpreußen. Schleswig blieb auf Grund alter Verträge eng mit Holstein verbunden, gehörte aber als dänisches Lehen, das nie einen Teil des Alten Reiches gebildet hatte, nicht zum Deutschen Bund.
Auf die inneren Verhältnisse der Mitgliedstaaten nahm die Bundesakte nur in geringem Maß Einfluß. Artikel 13 enthielt zwar die Bestimmung: «In allen Bundesstaaten wird eine landständische Verfassung stattfinden.» Ob sich die Staaten für eine altständische oder eine moderne Repräsentativverfassung entschieden, blieb aber ihnen überlassen. ähnlich unverbindlich war das, was die Bundesakte in Artikel 16 zur Judenemanzipation sagte: «Die Bundesversammlung wird in Beratung ziehen, wie auf eine möglichst übereinstimmende Weise die bürgerliche Verbesserung der Bekenner des jüdischen Glaubens in Deutschlands zu bewirken sei, und wie insonderheit denselben der Genuß der bürgerlichen Rechte gegen die Übernahme aller Bürgerpflichten in den Bundesstaaten verschafft und gesichert werden könne; jedoch werden den Bekennern dieses Glaubens bis dahin dieselben von den einzelnen Bundesstaaten bereits eingeräumten Rechte erhalten.»
Daß die Bundesakte überhaupt etwas zu den Rechten der Juden sagte und einen Bestandsschutz für bestehende Rechte gewährleistete, war vor allem dem Drängen von zwei Preußen, Hardenberg und Humboldt, zu verdanken. Ein anderer Passus, der einen Anklang an die Menschen- und Bürgerrechte enthielt, war noch sehr viel vager gehalten als der über die Juden: In Artikel 18 hieß es, die Bundesversammlung werde sich bei ihrer ersten Zusammenkunft «mit Abfassung gleichförmiger Verfügungen über die Pressefreiheit und die Sicherstellung der Rechte der Schriftsteller und Verleger gegen den Nachdruck beschäftigen».
Die Bundesakte war ein Rahmen, dessen inhaltliche Ausfüllung künftigen Vereinbarungen vorbehalten blieb. Sie schuf keinen Bundesstaat, sondern einen Staatenbund. Seine Mitglieder waren souveräne Staaten, die sich im Verhältnis zueinander gewisse Pflichten auferlegten. Der Deutsche Bund war gedacht als Ersatz für das Heilige Römische Reich deutscher Nation, dessen Wiedererrichtung 1815 nicht ernsthaft zur Debatte stand. Das Maß an Einheit, das die Bundesakte verbürgte, blieb weit hinter dem zurück, was sich die patriotischen Kräfte erhofft hatten. Joseph Görres, einst ein Mainzer «Jakobiner», später einer der wirkungsvollsten publizistischen Gegner Napoleons, verlieh der verbreiteten Enttäuschung im April 1815 mit starken Worten Ausdruck. In dem von ihm herausgegebenen «Rheinischen Merkur» beschrieb er die deutsche Nachkriegsordnung, wie sie sich damals abzeichnete, als eine «jämmerliche, unförmliche, mißgeborene, ungestaltete Verfassung …, vielköpfig wie ein indisches Götzenbild, ohne Kraft, ohne Einheit und Zusammenhang», das «Gespött künftiger Jahrhunderte», das «Spiel aller benachbarten Völkerschaften».
Doch im Vergleich zum Nachbarland südlich der Alpen standen die Deutschen nicht ganz so schlecht da. Sie verfügten immerhin mit dem Deutschen Bund über ein institutionelles Band, wie es dies in dem gleichfalls staatlich zersplitterten Italien nicht gab. Was Metternich mehrfach von Italien behauptet hat, es sei bloß ein «geographischer Begriff», traf auch für Deutschland zu – wenngleich in geringerem Maß als für Italien. Am österreichischen Staatskanzler lag dieser Unterschied nicht. Er hatte zielstrebig auf eine föderative, von Österreich dominierte Lega Italica, analog zum Deutschen Bund, hingearbeitet, sich mit dieser Idee aber gegen den Widerstand Sardinien-Piemonts und des Kirchenstaates nicht durchzusetzen vermocht.
Die territoriale Neuordnung Deutschlands und Italiens hatte langfristige Folgen: Da Preußen zur Macht am Rhein aufgerückt war, ohne über eine Landbrücke zwischen dem Osten und dem Westen zu verfügen, mußte es früher oder später versuchen, die räumliche Lücke auf irgendeine Weise zu schließen. Wenn dies gelang, war Preußen die beherrschende Macht in Deutschland, und das um so mehr, als es im neugewonnenen Ruhrgebiet reiche Steinkohlevorkommen gab: eine wichtige Voraussetzung dafür, daß der Hohenzollernstaat sich im Zuge der Industrialisierung nach 1830 die wirtschaftliche Führungsrolle im Deutschen Bund sichern konnte.
Die Bildung einer preußischen Bastion an Rhein und Ruhr hatte, und
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