Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
neuen «Poor Law» zugrunde lag, bestand nach den Worten des Historikers und Publizisten Bernhard Guttmann darin, «das Los des von den Steuerzahlern erhaltenen Paupers weniger begehrenswert zu machen als das des ärmsten für sich sorgenden Arbeiters. Verhungern sollte, wer keinen Rat wußte, auch jetzt nicht, aber eiserner Zwang sollte ihm den Entschluß leicht machen, bald wieder in der Freiheit sein Glück zu versuchen.»
    Von einem staatlichen Schutz der Arbeiter konnte im England der 1830er Jahre noch kaum gesprochen werden. 1833 wurde immerhin die Kinderarbeit (außer der in Seidenfabriken) etwas eingeschränkt. Kinder mußten, um arbeiten zu dürfen, mindestens neun Jahre alt sein; sie durften, sofern sie nicht älter als 13 Jahre waren, nicht länger als neun Stunden täglich und 48 Stunden wöchentlich arbeiten. Für junge Leute zwischen dem 14. und dem 18. Lebensjahr wurde die tägliche Arbeitszeit auf höchstens 12, die wöchentliche auf höchstens 69 Stunden begrenzt. Weitere Auflagen zum Schutz von Kindern, aber auch von Frauen, enthielten die Bergwerks- und Fabrikgesetze von 1842 und 1844; den Zehnstundentag für Jugendliche und Frauen, faktisch aber auch für erwachsene Männer, brachte erst die Fabrikakte von 1847. Die Arbeiter waren angesichts der weitgehenden Zurückhaltung von Parlament und Regierung folglich zunächst ganz auf sich selbst gestellt. Die Einsicht, daß sie nur durch Bündelung ihrer Kräfte etwas bewirken konnten, führte in den Jahren 1832 bis 1837 zur Gründung einer Vielzahl von Gewerkschaften mit der Grand National Consolidated Trades’ Union von 1834 als Dachverband. Da die «trade unions» gegen die Phalanx von Arbeitgebern, Regierung und Parlament nichts auszurichten vermochten, begann sich die junge Arbeiterbewegung in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zu politisieren. In der London Working Men’s Association und der Birmingham Political Union wurden Pläne für eine radikale Reform des Wahlrechts und des politischen Systems geschmiedet. Ihren klassischen Ausdruck fanden sie in der «People’s Charter» vom Mai 1838, die das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für Männer über 21 Jahre, die Beseitigung aller sozialen Einschränkungen des passiven Wahlrechts, die Schaffung von Wahlkreisen gleicher Größe, jährliche Unterhauswahlen und Diäten für die Abgeordneten verlangte.
    Die erste nationale Versammlung der «Chartisten», wie sich die neue Bewegung nannte, fand im Februar 1839 in London statt. Als das Unterhaus die erste große Massenpetition der Chartisten im Sommer 1839 ablehnte, reagierten die Anhänger der «People’s Charter» empört. In zahlreichen großen Städten kam es zu schweren Unruhen; die soziale Unruhe hielt auch in den folgenden Jahren an und erreichte ihren Höhepunkt im Generalstreik von 1842, der die Revolutionsfurcht in den Mittel- und Oberschichten gewaltig ansteigen ließ. Ihren stärksten Rückhalt hatten die Chartisten bei Arbeitern in traditionellen Handwerkszweigen und Heimarbeitern; auffallend war die verbreitete romantische Vorstellung von einer Auflösung der Großbetriebe, ihrer Wiederansiedlung auf dem Land und der bäuerlichen Selbstversorgung der Arbeiter. Durchschlagende Erfolge vermochten auch die Chartisten nicht zu erringen. Ein wesentlicher Grund ihres schließlichen Scheiterns lag darin, daß sie es nicht verstanden, sich in ein Sprachrohr der eigentlichen Industriearbeiter zu verwandeln.
    Mehr noch als der Chartismus beschäftigte eine andere, nahezu gleichzeitig entstandene Bewegung die britische Öffentlichkeit: die der Freihändler. Der entscheidende Anstoß ging im Herbst 1838 von der Handelskammer Manchester aus, die sich für die sofortige Abschaffung der 1815 eingeführten Getreidezölle, ja für völlige Zollfreiheit aussprach. Wenig später bildeten sich auch in anderen Städten freihändlerische Vereinigungen, die sich im Frühjahr 1839 in der Anti-Corn-Law League zusammenschlossen. Ihre führenden Köpfe waren der weitgereiste Kaufmann und Publizist Richard Cobden aus Sussex und der Quäker John Bright, ein Fabrikantensohn aus Rochdale in Lancashire.
    Ein Versuch, das Unterhaus zur Aufhebung der Kornzölle zu bewegen, war um diese Zeit bereits gescheitert: Mit breiter Mehrheit hatten die von der Gentry beherrschten Commons den Antrag der Freihandelsfreunde niedergestimmt, wobei der Unterschied zwischen Whigs und Tories keine große Rolle spielte. Der Landadel war der Hauptnutznießer der

Weitere Kostenlose Bücher