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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Gegenstück im fehlenden Interesse an einer Ausgestaltung der Verkehrswege: An Eisenbahnverbindungen zwischen Österreich und dem übrigen Bundesgebiet lag der Regierung in Wien nur wenig; die erste Strecke, die Österreich mit Preußen verband, wurde nach zähen Verhandlungen 1849 eröffnet. Daß dieses Österreich sich im Zweifelsfall für die Einheit Deutschlands und gegen die Erhaltung des Gesamtreiches aussprechen würde, konnte gegen Ende des Vormärz nur annehmen, wer sich von Wunschdenken leiten ließ.
    In den Verfassungsstaaten Süddeutschlands vertiefte sich in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre die Kluft zwischen gemäßigten Liberalen und Demokraten. Während diese sich eine Verfassung nur als Ausfluß des souveränen Volkswillens vorstellen konnten, setzten jene auf eine Vereinbarung zwischen Volk und Fürsten. Am deutlichsten trat die Trennung der beiden Lager in Baden in Erscheinung. Im September 1847 kamen die sogenannten «Ganzen» um die Mannheimer Rechtsanwälte Friedrich Hecker und Gustav von Struve in Offenburg zusammen, um sich auf eine Grundsatzerklärung zu verständigen, mit der sie sich klar von den «Halben», den gemäßigten Liberalen, abheben konnten. Das Offenburger Programm forderte zwar nicht offen die deutsche Republik, wie sie den wichtigsten Akteuren als Ziel vorschwebte, wohl aber neben den klassischen Grundrechten, obenan der Pressefreiheit, die Wahl eines deutschen Parlaments auf der Grundlage des allgemeinen gleichen Wahlrechts, eine volkstümliche Wehrverfassung und eine progressive Einkommensteuer, die mit dazu beitragen sollte, das «Mißverhältnis zwischen Kapital und Arbeit» auszugleichen.
    Die «Halben» aus Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt und Kurhessen trafen sich wenig später, im Oktober 1847, in Heppenheim – ironischerweise im «Gasthof zum halben Mond». Ihre Antwort auf die «Ganzen» war kein Programm, sondern ein Protokoll. Darin befürworteten sie den Ausbau des Deutschen Zollvereins, dem eine Vertretungskörperschaft, also eine Art von Parlament, zugeordnet werden sollte. Das Habsburgerreich konnte zwar nicht als Ganzes, aber doch mit dem Teil, der zum Deutschen Bund gehörte, dem Zollverein beitreten und sich damit an der Gestaltung der nationalen Einheit Deutschlands beteiligen. Die innenpolitischen Forderungen der Heppenheimer deckten sich weitgehend mit denen der Offenburger. Im sozialen Bereich befürworteten die Gemäßigten eine «gerechte Verteilung der öffentlichen Lasten zur Erleichterung des kleinen Mittelstandes und der Arbeiter».
    Wenige Monate später wurde auch der äußerste Norden Deutschlands von heftiger Unruhe erfaßt, die sich bald auf das ganze Land ausdehnte. Am 20. Januar 1848 starb der dänische König Christian VIII. Eineinhalb Jahre zuvor, am 8. Juli 1846, hatte er, da der Thronfolger kinderlos war, in einem «Offenen Brief» eine gemeinsame Erbfolge für Dänemark und Schleswig entsprechend dem dänischen Erbrecht angekündigt. In Dänemark konnte, anders als in Holstein, der Thron auch über eine weibliche Linie vererbt werden. Die Erklärung des Königs lief also auf eine Einverleibung von Schleswig in das Königreich Dänemark und eine Trennung von Holstein hinaus, was in Schleswig und Holstein, aber auch im übrigen Deutschland langanhaltende Empörung auslöste. Christians Nachfolger, Friedrich VII., legte nur eine Woche nach seiner Thronbesteigung, am 28. Januar 1848, in einem «Reskript» die Grundzüge einer gesamtstaatlichen, auch für Schleswig geltenden Verfassung vor und berief Anfang Februar eine Kommission, die daraus einen ausgefeilten Verfassungsentwurf machen sollte.
    Damit war die politisch und publizistisch höchst aktive nationalliberale Partei aber keineswegs zufrieden. Sie verlangte, ganz Schleswig unverzüglich zu einem Teil des Königreichs Dänemark zu erklären, das Staatsgebiet also nach Süden, bis zur Eider auszudehnen (woraus sich der Begriff der «Eiderdänen» ergab). Am 20. März beschloß eine Versammlung im Kopenhagener Lokal «Casino» eine Resolution, die den König in ultimativer Form zur Annexion Schleswigs aufforderte. Zur Begründung hatten die Veranstalter zuvor wider besseres Wissen behauptet, die schleswig-holsteinische Partei habe auf einer Zusammenkunft in Rendsburg am 18. März den vollständigen Bruch mit Dänemark vollzogen und damit das Signal zum Aufstand gegeben. In Wirklichkeit war dort lediglich die Entsendung einer Delegation beschlossen worden, die dem König die

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