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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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ein wenig verschlüsselt, die «Ernennung des Bundesoberhaupts». Politische Freiheit und nationale Einheit waren die zwei Seiten derselben Medaille, der kurz darauf in ganz Deutschland erhobenen «Märzforderungen».
    Die gemäßigten Liberalen des deutschen Vormärz waren keine Revolutionäre gewesen, und sie wurden es im Frühjahr 1848 nur widerstrebend und mit der ihnen geboten erscheinenden Vorsicht. Sie stellten sich an die Spitze einer Bewegung, die ohne den mäßigenden Einfluß gebildeter und besitzender Bürger leicht in die Hände radikaler Kräfte geraten konnte. Die letzteren machten sich schon am 1. März bemerkbar, als bei der Übergabe der Mannheimer Petition Bewaffnete in den Sitzungssaal der zweiten badischen Kammer eindrangen. Einige Tage später begann zwischen Bodensee und Odenwald eine große Bauernrevolte, die sich einerseits gegen die Standesherren und ihre Rentbeamten, andererseits gegen die jüdischen Kreditleiher richtete. Vielerorts wurden die Häuser der Juden zerstört und ihre Bewohner vertrieben.
    Anlaß der Pogrome war der Beschluß der zweiten badischen Kammer, den Juden endlich die politische und rechtliche Gleichberechtigung zu gewähren. Dagegen lehnten sich viele Gemeinden auf, weil sie sich nicht in der Lage glaubten, das Geld aufzubringen, das für die nunmehr vorgeschriebene Fürsorge für zahlreiche arme Juden erforderlich war. Die überlieferte Judenfeindschaft und die Ablehnung alter feudaler und neuer fiskalischer Lasten verbanden sich also zu einer explosiven Mischung. Der ländliche Sozialprotest erhielt durch die Revolution einen Anstoß und äußerte sich selbst in revolutionären Formen. Seine Ziele aber standen in schärfstem Widerspruch zu allem, was an der Revolution fortschrittlich, liberal, emanzipatorisch war.
    Im März 1848 wurden fast überall in Deutschland die alten Kabinette durch neue, die sogenannten «Märzregierungen» ersetzt, denen prominente Liberale an führender Stelle angehörten. Einen Thronwechsel gab es nur in München, wo König Ludwig I., durch eine Affäre mit der irischen Tänzerin Lola Montez um alles Ansehen gebracht, nach schweren Unruhen zugunsten seines Sohnes, Maximilians II., abdanken mußte. Das Schicksal der deutschen Revolution aber mußte sich bei den beiden Großmächten, Österreich und Preußen, entscheiden. Auch dort wechselten im März 1848 die Regierungen. In Wien erzeugten revolutionäre Studenten im Verein mit Arbeitern und Bürgern so viel Druck, daß sich die engsten Berater Kaiser Ferdinands I., obenan Erzherzog Ludwig, und schließlich der willensschwache Kaiser selbst zu einem dramatischen Schritt entschlossen: Metternich wurde am 13. März zum Rücktritt gezwungen; er begab sich unmittelbar danach auf die Flucht ins Exil nach England.
    Auf die Regierung des Mannes, der wie kein anderer die Unterdrückungspolitik der Restaurationszeit verkörperte, folgten Minister, die unter dem «System Metternich» Karriere gemacht hatten und allenfalls im Vergleich mit dem bisherigen Staatskanzler als «liberal» gelten konnten. Am 25. April 1848 erhielt Österreich durch das «Allerhöchste Patent» Ferdinands I. eine Gesamtstaatsverfassung, die sich am belgischen Vorbild von 1831 ausrichtete und daher auf den ersten Blick «liberal» wirkte. Doch das erste Staatsgrundgesetz des Habsburgerreiches war ohne alle Rücksprache mit Vertretern des liberalen Bürgertums vom Kaiser oktroyiert worden und entbehrte darum in den Augen der vorwärts drängenden Kräfte der politischen Legitimität.
    Mitte Mai lehnte sich die studentische und proletarische Linke mit Waffengewalt gegen das autoritäre Gebaren des Monarchen und seiner Umgebung auf und erreichte auf diese Weise eine scheinbare Kehrtwende des Hofes: Der Kaiser sagte Wahlen zu einem österreichischen Reichstag zu, die auf der Grundlage des allgemeinen, gleichen Wahlrechts stattfinden sollten; dem hieraus hervorgegangenen Parlament blieb es vorbehalten, die Verfassung zu überarbeiten. In Wirklichkeit setzten Ferdinands engste Berater jedoch lediglich auf Zeitgewinn. Entschlossen, der Revolution in Bälde unter Einsatz des Militärs entgegenzutreten, begaben sich der Kaiser und seine Familie über Salzburg nach Innsbruck, um von dort aus den Widerstand gegen die revolutionäre Hauptstadt zu organisieren.
    In Wien bildete sich seit den Kämpfen ein labiler Zustand heraus, der sich kaum anders denn als Doppelherrschaft bezeichnen ließ: Der schwachen Regierung unter Franz

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