Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Volk vom 26. März mehr Nahrung bot als die tatsächliche, damals eher defensive Politik Rußlands. Der preußische Außenminister ging sogar so weit, Ende März in Paris und London anzufragen, ob man dort Preußen im Falle eines Krieges mit Rußland um die Wiederherstellung Polens unterstützen würde. Die Reaktionen waren negativ.
Diese Abfuhr trug ebenso wie die Position des Königs dazu bei, daß sich die Haltung der preußischen Regierung in der Polenfrage verhärtete. Das neugebildete polnische Nationalkomitee in Posen, in dem zurückgekehrte Emigranten sowie begnadigte und aus der Haft entlassene Aufständische von 1846 wie Ludwik Mieroslawski und Karol Libelt das Sagen hatten, zeigte sich zunächst noch kompromißbereit: Es stimmte der preußischen Forderung nach einer starken Reduzierung der polnischen Kampfverbände (von 30.000 auf 3000 Mann) und, im Grundsatz zumindest, einer Teilung der Provinz zwischen überwiegend deutsch und überwiegend polnisch besiedelten Gebieten zu. Als jedoch die Stadt Posen durch eine Kabinettsorder vom 26. April der «nationalen Reorganisation» entzogen und Preußen (und damit Deutschland) zugeschlagen wurde, löste sich das Nationalkomitee unter Protest auf. Die Kampfverbände widersetzten sich ihrer Entwaffnung und gaben damit das Signal zu einem Aufstand, an dem sich in großer Zahl auch die polnischen Bauern beteiligten. Das preußische Militär benötigte knapp zwei Wochen, um die Erhebung niederzuschlagen. Am 9. Mai kapitulierten die polnischen Patrioten. Für eine Teilung der Provinz fand Preußen fortan auf polnischer Seite keine Partner mehr.
Noch härter als Preußen ging Österreich in seinem Teilungsgebiet gegen die Freiheitsbestrebungen der Polen vor. Am 25. April 1848 beantworteten Teile der Krakauer Bevölkerung Zwangsmaßnahmen des Statthalters von Galizien, Franz Graf von Stadion, darunter ein Rückkehrverbot für Emigranten, mit einer Erstürmung des Regierungsgebäudes und dem Bau von Barrikaden. Der österreichische Militärbefehlshaber ließ seine Truppen, nachdem sie sich im Straßenkampf nicht hatten durchsetzen können, aus dem Zentrum der Stadt abziehen und ordnete am folgenden Tag ein massives Bombardement Krakaus an. Es führte zur Kapitulation der Aufständischen.
Die galizischen Bauern nahmen, wie schon zwei Jahre zuvor, an der Erhebung nicht teil. Stadion hatte ihr Wohlwollen am 22. April durch die umfassende Abschaffung des «Robot», der feudalen Abgaben und Lasten zugunsten der adligen Grundherren, erkauft. Die Agrarreform, die von Kaiser Ferdinand durch ein auf den 17. April zurückdatiertes Patent auf das Gesamtreich ausgedehnt und damit sanktioniert wurde, erwies sich als Danaergeschenk: Die Bauern erhielten kein zusätzliches Land; viele Höfe waren zu klein, um lebensfähig zu sein; der Mehrzahl der adligen Grundbesitzer fehlte das Kapital, das für die Modernisierung ihrer Betriebe notwendig gewesen wäre. Galizien blieb infolgedessen ein wirtschaftlich rückständiges Gebiet, das in der Folgezeit einen Großteil der polnischen und jüdischen Emigration nach Amerika stellte. Kurzfristig war die Beseitigung des Robots jedoch ein Erfolg für den Kaiserstaat: Sie brachte die galizischen Bauern, gleichviel ob sie polnisch oder ruthenisch, das heißt ukrainisch, sprachen, erneut, wie schon 1846, in eine informelle Allianz mit der Teilungsmacht. Die Kluft zwischen der bäuerlichen Bevölkerung und dem polnischen Adel blieb tief.
Rund fünf Wochen nach der Niederwerfung des Krakauer Aufstands, am 2. Juni 1848, trat in Prag ein «Slawenkongreß» zusammen. Die erste Anregung zu einem solchen Treffen war aus Kroatien gekommen, das zum ungarischen Teil der habsburgischen Monarchie gehörte und sich seit 1847 der forcierten «Magyarisierung», der Durchsetzung des Ungarischen als Verwaltungs- und Schulsprache, zu erwehren versuchte. Etwas älteren Datums war der Gedanke, daß die Slawen kulturell und sprachlich eine Einheit, ja im Grunde eine Nation bildeten, die nur unterschiedliche Dialekte sprach: 1826 hatte ein junger, von Johann Gottfried Herders «Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit» beeinflußter slowakischer Altphilologe lutherischen Glaubens, Josef Šafarík, ein Werk mit dem bezeichnenden Titel «Geschichte der slawischen Sprache und Literatur nach allen Mundarten» vorgelegt.
Von diesem umfassenden kulturellen «Panslawismus» unterschieden sich die politischen Spielarten einer slawischen Solidaritätsbewegung im
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