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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Republikaner in der Mehrheit, so daß die Regierung mit Abstimmungsniederlagen rechnen mußte. Schon Ende Januar 1849 trat diese Situation ein. Das Kabinett Barrot blieb, gestützt vom Präsidenten, im Amt und ließ das Palais Bourbon mit Truppen umstellen. Unter der Putschdrohung tat die Nationalversammlung, was Präsident und Regierung von ihr erwarteten und was nach der Verfassung nur sie selbst tun konnte: Sie beschloß ihre Auflösung. Die Neuwahlen wurden auf den 13. Mai 1849 angesetzt.
    Noch vor der Wahl ließen sich Präsident und Regierung auf eine innenpolitisch höchst umstrittene militärische Intervention im Kirchenstaat ein – zugunsten von Papst Pius IX., der, durch die Revolution aus Rom vertrieben, seit November 1848 im Exil in Gaeta weilte und nach der Ausrufung der Republik in Rom am 8. Februar 1849 alle katholischen Mächte um Hilfe für die Wiederherstellung seiner weltlichen Herrschaft gebeten hatte. Louis-Napoleon, der 1831 mit der Carbonari selbst gegen den Kirchenstaat gekämpft hatte, brach mit seiner Vergangenheit nicht nur deshalb, weil er Österreich das Feld in Mittelitalien nicht allein überlassen wollte. Es ging dem Präsidenten auch um ein Stück französischer Innenpolitik, nämlich die Unterstützung seines Regimes durch die katholische Kirche. Eine Niederlage, die die Freiwilligen der Römischen Republik unter Garibaldi dem französischen Expeditionskorps unter General Oudinot am 30. April zufügten, veranlaßte den Präsidenten dann Anfang Mai, weitere Truppen nach Italien zu schicken, die das Blatt zugunsten Frankreichs und des Papstes wenden sollten.
    Vor diesem außenpolitischen Hintergrund fanden die Wahlen zur Legislative am 13. Mai statt. Die eindeutigen Sieger waren die gouvernementalen Kräfte der sogenannten «Ordnungspartei». Sie erhielten 450 von insgesamt 750 Sitzen, während die gemäßigten Republikaner von 500 auf 75 absanken. Die demokratische Linke konnte hingegen, nicht zuletzt dank eines Stimmungsumschwungs bei einem Teil der Bauern, deutliche Gewinne verzeichnen: Die «Montagnards» kehrten mit 210 statt 80 Abgeordneten in die Kammer zurück. Dieser Stimmenzuwachs schien Politikern wie Ledru-Rollin stark genug, um einen Monat später eine parlamentarische Kraftprobe mit dem Regierungslager zu suchen.
    Den Anlaß bot die Offensive der französischen Truppen unter General Oudinot gegen die Römische Republik Anfang Juni. Die Linke prangerte die Intervention, die Louis-Napoleon in seiner Budgetrede vom 7. Juni ausdrücklich rechtfertigte, als Bruch der Verfassung an. (Tatsächlich untersagte diese jeden Eroberungskrieg und jeden Angriff auf die Freiheit irgendeines Volkes.) Die Konsequenz der Anklage war ein Antrag auf Amtsenthebung des Präsidenten. Nachdem die Nationalversammlung diesen Antrag, wie erwartet, abgelehnt hatte, forderte Ledru-Rollin am 11. Juni die Franzosen auf, die Republik notfalls auch mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Das waren starke Worte, die jedoch revolutionärer klangen, als sie gemeint waren: Vorbereitungen für einen Umsturz gab es bei den Montagnards nicht.
    Am 13. Juni versammelten sich die Anhänger der demokratischen Linken, überwiegend Pariser Kleinbürger, zu einer Protestdemonstration, deren Ziel der Elyseepalast, der Amtssitz des Präsidenten, war. In der Rue de Rivoli eröffneten Linientruppen das Feuer, woraufhin die Montagnards mit dem Bau von Barrikaden begannen. Nach wenigen Stunden hatte das Militär die Ordnung wiederhergestellt. Ledru-Rollin und einige seiner politischen Freunde entkamen nach England; andere Parlamentarier der Linken wurden vor Gericht gestellt und verurteilt. Ihrer Führung beraubt, bildeten die Montagnards für das Regierungslager fortan keine Gefahr mehr.
    Die Republik trat am 13. Juni 1849 in eine Phase ein, die fast ein Jahr dauern sollte und von Marx mit dem Begriff «legislative Diktatur der vereinigten Royalisten» bedacht wurde. Ein halbes Jahr nach der Wahl Louis-Napoleons befand sich die Parlamentsmehrheit in der Tat in einer Machtposition, die der des Präsidenten zumindest nicht nachstand. Die Logik des Bonapartismus verlangte aber eine unabhängige Exekutivgewalt, und von diesem Zustand war Frankreich im Sommer 1849 noch weit entfernt.[ 91 ]
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