Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Seite des Nordatlantiks, in den Vereinigten Staaten von Amerika, hatten die Freiheitsbewegungen auf dem alten Kontinent eine Welle der Sympathie ausgelöst. In Paris erkannte der amerikanische Gesandte Richard Rush die neue revolutionäre Regierung auf eigene Faust noch im Februar 1848 an; die nachträgliche Billigung durch Außenminister James Buchanan und Präsident James K. Polk ließ nicht lange auf sich warten. Die Nachrichten von der deutschen Revolution wurden vor allem bei den Deutsch-Amerikanern mit Enthusiasmus aufgenommen. Die Vereinigten Staaten waren die einzige Großmacht, von der die provisorische Zentralgewalt offiziell anerkannt wurde und mit der diplomatische Beziehungen bestanden. Durch den Verkauf eines Dampfschiffes, der Reichsfregatte «United States», unterstützte Amerika sogar den Aufbau einer deutschen Flotte.
Die populäre Begeisterung ließ freilich nach, als den amerikanischen Beobachtern klar wurde, daß es in Deutschland nicht um die Errichtung einer Republik, sondern um die Gründung eines Reiches mit einem Kaiser an der Spitze ging. Nach dem Scheitern der Revolution wurde Amerika neben England zum wichtigsten Zufluchtsort der europäischen Revolutionsführer, die sich dem Zugriff der Behörden entziehen konnten. In Baden, später auch in Preußen und Österreich erhielten weniger prominente Teilnehmer an den revolutionären Kämpfen die Möglichkeit, zwischen Haft und Auswanderung nach Amerika zu wählen. Doch nur eine Minderheit entschied sich für die Emigration.
Von den deutschen Demokraten und Republikanern, denen die Flucht nach Amerika gelang, waren Friedrich Hecker, Gustav von Struve und Carl Schurz die bekanntesten. Struve kehrte 1863, nach seiner Amnestierung, nach Deutschland zurück; Hecker und Schurz kämpften im amerikanischen Bürgerkrieg auf Seiten der Union: Hecker als Oberst, Schurz zuletzt als General. 1869 wurde Schurz zum Senator von Missouri gewählt, 1877 wurde er Innenminister der USA und bemühte sich als solcher um die Integration der Indianer. Kein europäischer Revolutionär aber wurde in Amerika so bejubelt wie Lájos Kossuth, der von Dezember 1851 bis Juni 1852 die Vereinigten Staaten bereiste und überall, wo er auftrat, für seine Bekenntnisse zur Freiheit der unterdrückten Völker, obenan der Ungarn, begeisterte Zustimmung fand.
Was 1848 zu einem Epochenjahr der amerikanischen Geschichte macht, waren aber nicht die Revolutionen im fernen Europa. Es war der Friedensvertrag, den die Vereinigten Staaten nach einem zweijährigen Krieg mit Mexiko am 2. Februar 1848 in Guadalupe Hidalgo unterzeichneten. Darin erkannte Mexiko die drei Jahre zuvor erfolgte Annexion von Texas sowie den Grenzverlauf am Rio Grande an und verzichtete auf ein großes, damals noch «New Mexico» genanntes Gebiet und das faktisch autonome, teilweise bereits von Amerikanern besiedelte Kalifornien von San Diego an nordwärts. Bereits zwei Jahre vorher hatten sich die USA mit Großbritannien gütlich auf den Grenzverlauf im lange umstrittenen Territorium von Oregon, nördlich von Kalifornien, verständigt: Fortan markierte auch hier der 49. Breitengrad die Grenze zwischen den Vereinigten Staaten und Britisch-Nordamerika. Die USA erstreckten sich damit vom Atlantischen bis zum Pazifischen Ozean. Mit dem Frieden von Guadalupe Hidalgo lagen die Umrisse ihrer zusammenhängenden kontinentalen Landmasse fest. Amerika erhielt seine neue Westgrenze also just in dem Jahr, in dem der Westen in Europa an seine alte Ostgrenze stieß: die Grenze zwischen dem historischen Okzident und dem orthodoxen Europa, das sich gegen ein Vordringen der politischen Ideen des Westens weiterhin abschottete.
Der Friede von Guadelupe Hidalgo war nicht das einzige Ereignis, das 1848 in die amerikanischen Geschichtsbücher eingehen ließ. Zehn Tage vor dem Abschluß des Vertrages, am 24. Januar, entdeckte ein Vorarbeiter auf dem Gelände der Sägemühle von John Sutter nahe Sacramento Gold: ein Fund, der sich nicht lange geheim halten ließ und Hunderttausende veranlaßte, sich auf den Weg nach Kalifornien zu begeben. Unter denen, die vom Goldrausch erfaßt wurden, waren nicht nur weiße Amerikaner, sondern auch befreite Sklaven, Mexikaner, Südamerikaner und nicht zuletzt Chinesen. Die wenigsten fanden, was sie suchten, aber viele blieben. In Kalifornien rief der massenhafte Zustrom von (fast durchweg männlichen) Goldsuchern einen Mangel an Arbeitskräften hervor, der weitere Einwanderung zur Folge hatte. Allein
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