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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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einem Brief für den Fall, daß die Sklaverei abgeschafft würde, vor einem «holocaust of blood». Wenige Tage danach, am 13. Dezember 1849, erklärte der demokratische Abgeordnete Robert Toombs im Repräsentantenhaus, wenn der Norden den Süden durch ein Gesetz aus den gemeinsam erworbenen Territorien Kalifornien und Mexiko vertreiben und die Sklaverei im Distrikt von Columbia, also in der Hauptstadt Washington, verbieten sollte, dann wäre er, Toombs, für «disunion», für die Auflösung der Union.
    Knapp drei Jahre später, 1852, erschien ein Buch, das rasch eine nach Millionen zählende Leserschaft in aller Welt fand: «Uncle Tom’s Cabin». Die Verfasserin, Harriet Beecher Stowe, wollte mit ihrer leidenschaftlichen Anklage gegen das Unrecht der Sklaverei den Süden zum Umdenken und zum freiwilligen Verzicht auf die Unterjochung der schwarzen Amerikaner bewegen. Die Wirkung war eine andere: Der Riß, der durch die Union ging, wurde noch tiefer. Es war abzusehen, daß er durch Kompromisse nach Art des Ausgleichs von 1850 nicht mehr lange überbrückt werden konnte.
    Die Sklavenfrage war, wie wir gesehen haben, eng verknüpft mit dem anderen großen Thema, das die Aufmerksamkeit der Nation in den 1850er Jahren in Anspruch nahm: der Erschließung und Besiedelung des riesigen Raumes, den die Union in den wenigen Jahren zwischen 1846 und 1848 hinzugewonnen hatte. Im Sommer 1845 war in der Zeitschrift «Democratic Review» ein Artikel über die Annexion von Texas erschienen, in dem zum ersten Mal ein Begriff auftauchte, der bald zum politischen Schlagwort wurde: «Manifest Destiny». Der anonyme Verfasser war der Gründer der «Review», der irischstämmige John O’Sullivan aus New York. Er erklärte es für die offenkundige Mission Amerikas, «sich über den Kontinent auszubreiten, den die Vorsehung für die freie Entwicklung unserer Jahr um Jahr sich vervielfachenden Millionen bestimmt hat».
    Das «Manifest Destiny» wurde beschworen, als es um die Besitznahme von Oregon, New Mexico und Kalifornien ging. Es tauchte auf, als nach 1850 das spanische Kuba ins Blickfeld des Südens trat (der dort zwei neue Sklavenstaaten gründen wollte). Im Vordergrund aber stand die Expansion in Richtung Westen, die durch nichts so stark gefördert wurde wie durch den Bau von Eisenbahnlinien. Im Jahre 1850 war noch nicht einmal Chicago an das Schienennetz angeschlossen. Sieben Jahre später überquerten zwölf Bahnlinien den Mississippi. Neun von ihnen hatten ihren Ausgangspunkt in Chicago. 1869 wurde die erste pazifische Eisenbahnlinie eröffnet: Sie führte von Omaha in Nebraska über die Rocky Mountains nach San Francisco.
    Der Drang nach Westen war ein Grundzug der amerikanischen Geschichte. Vielen Bürgern der Vereinigten Staaten waren die ersten Worte des Gedichts «On the Prospect of Planting Arts and Learning in America» des englischen Philosophen und Theologen George Berkeley geläufig, der von 1728 bis 1731 in Amerika gelebt hatte: «Westward the course of Empire takes its way …» Um 1850 trat das «westward movement» in eine neue Phase. Die äußere Grenzen der USA waren abgesteckt; drei Jahre nach der Aufnahme von Kalifornien wurde das Territorium der Union im Südwesten noch durch den «Gadsden Purchase» erweitert: ein Gebiet im Süden der späteren Staaten Arizona und New Mexico, das der amerikanische Gesandte James Gadsden 1853 im Auftrag von Präsident Franklin Pierce den Mexikanern zum Preis von 10 Millionen Dollar abkaufte. Der neugewonnene Landstreifen erschien den Betreibern des Kaufes deswegen so wichtig, weil er sich vorzüglich für den Bau einer südlichen Strecke des geplanten transkontinentalen Eisenbahnnetzes eignete: der Southern Pacific Railroad, die seit 1881 San Diego in Südkalifornien mit El Paso im Westen von Texas verband. 1867 wuchs das Gebiet der Union dank des diplomatischen Geschicks des langjährigen Außenministers William Henry Seward nochmals erheblich an: Für 7,2 Millionen Dollar kauften die USA Rußland Alaska ab.
    «Go West, young Man»: Es war Horace Greeley, der Gründer der «New York Tribune», ein Förderer der Gewerkschaften, der Frauenemanzipation, der Anti-Sklaverei- und der «Free soil»-Bewegung, der 1850 mit diesem Aufruf das Lebensgefühl des freien Amerika zum klassischen Ausdruck brachte. Schon in den Jahren zuvor hatte Greeley die Armen von New York aufgefordert, ihr Glück im «großen Westen» zu suchen, was einige Tausende auch taten. Weit gewaltiger aber war

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