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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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chinesische Oberhoheit geratene, 1910 von Japan annektierte Kaiserreich Korea.
    Die Motive der Machtexpansion «weißer» Großmächte in Asien zu Beginn der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts waren durchaus unterschiedlich. Bei Großbritannien und den Vereinigten Staaten standen eindeutig Handelsinteressen im Vordergrund; beim zweiten französischen Kaiserreich gab das Streben nach nationalem Prestige den Ausschlag; Rußland betrieb die Erweiterung seines sibirischen Territoriums im Fernen Osten nicht zuletzt in der Absicht, die Scharte der Niederlage im Krimkrieg auszuwetzen und seinen Rang als europäische und zugleich asiatische Großmacht zu behaupten. Der Erwerb der Amurregion machte es dem Zarenreich leichter, ein noch weiter östlich gelegenes Gebiet, Alaska mitsamt den Aleuten, 1867 an die USA zu verkaufen. Der Hauptstoß der russischen Expansion ging jedoch seit 1850 in Richtung Zentralasien. Andere Teile Asiens waren gegen den Zugriff europäischer Großmächte nur dadurch gefeit, daß sie schon seit langem im Besitz europäischer Staaten waren: Niederländisch-Indien, der indonesische Archipel also, seit dem frühen 17., die spanischen Philippinen teilweise bereits seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, in völkerrechtlich verbindlicher Form dann seit 1648.
    Der Begriff «Epoche des Imperialismus» wird aus guten Gründen gemeinhin erst im Hinblick auf die Zeit nach 1880 verwandt, als der «scramble for Africa» voll entbrannt war. In den Jahren zwischen 1850 und 1880 strebten nur einzelne Mächte nach der Erweiterung ihres Einflusses außerhalb des eigenen Kontinents; es gab noch keinen allgemeinen Wettkampf um die Sicherung Überseeischer Absatz- und Kapitalmärkte und die Aufteilung der noch nicht von Weißen beherrschten Teile der Welt, sei es in Form von Kolonien, sei es in Gestalt von Einflußsphären. Am weitesten war Großbritannien, das Mutterland der Industriellen Revolution, auf diesem Weg vorangeschritten. In seiner Politik war schon Mitte des 19. Jahrhunderts vieles von dem angelegt, was drei Jahrzehnte später zu einem herausragenden Merkmal der Politik aller Staaten werden sollte, die sich wirtschaftlich und militärisch stark genug fühlten, dem britischen Beispiel nachzueifern.[ 4 ]
    Von der Reaktionszeit zur «Neuen Ära»: Der Regimewechsel in Preußen
    Von den europäischen Großmächten traten nur zwei auf der asiatischen Bühne nicht in Erscheinung: Österreich und Preußen. Vom Krimkrieg abgesehen, standen in der «Reaktionszeit», dem ersten Jahrzehnt nach den Revolutionen von 1848/49, für die beiden mitteleuropäischen Mächte Fragen der inneren und der Handelspolitik im Vordergrund. Das Habsburgerreich erlebte unter Schwarzenberg und seit April 1852 unter seinem Nachfolger Karl Ferdinand Graf von Buol-Schauenstein einen Rückfall in die Zeit des Neoabsolutismus der josefinischen Prägung: Wien verschrieb sich einem bürokratischen Zentralismus, dem auch die für Slawen und Magyaren gleichermaßen provozierende Privilegierung des Deutschen als Verwaltungssprache und «lingua franca» des Vielvölkerreiches diente. Einen Bruch mit der Tradition Josephs II. bildete hingegen das Konkordat vom August 1855, das der römisch-katholischen Religion ihre Vorrechte im gesamten Kaiserreich garantierte, den Bischöfen die volle Jurisdiktionsgewalt über ihren Sprengel zusicherte und der Kirche die Aufsicht über die katholischen Schulen und die Leitung des Religionsunterrichts übertrug.
    In Preußen trat die Reaktionspolitik in den acht Jahren der Regierung des Ministerpräsidenten Otto von Manteuffel von 1850 bis 1858 in einer neofeudalen und in einer bürokratischen Variante auf. Zur ersten Kategorie gehörten die Wiederherstellung der 1848 abgeschafften gutsherrlichen Polizei, die Wiederzulassung von Fideikommissen, also der Unteilbarkeit und Unveräußerlichkeit von Gütern, die nur in männlicher Erbfolge vererbt werden konnten, die Reaktivierung der Kreis- und Provinzialstände mitsamt des Übergewichts, das der Adel dort besaß, schließlich eine den Wünschen des Adels entsprechende Reform der ersten Kammer des Herrenhauses. In die zweite Kategorie fielen der Ausbau des polizeilichen überwachungssystems, die Einführung prozessualer Sonderregelungen für politische und Pressevergehen und Einschränkungen des Presse- und Vereinsrechts gemäß den gesetzlichen Vorgaben des Deutschen Bundes aus dem Jahr 1854. Die übrigen Mitgliedstaaten des Bundes hielten sich mit

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