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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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rasch an; Ende Mai fiel Palermo in ihre Hände. Doch mit Freiwilligen allein ließ sich die alte Ordnung nicht stürzen, und um die Wehrpflicht durchzusetzen, mußten Garibaldi und der von ihm ernannte provisorische Regierungschef Francesco Crispi, einer der Führer der sizilianischen Demokraten in der Revolution von 1848, mit äußerster Härte gegen aufständische Bauern und Landarbeiter vorgehen: eine Politik, die die Revolutionäre zu Verbündeten der Großgrundbesitzer machte. Einen sofortigen Anschluß Siziliens an das Königreich Sardinien-Piemont, wie Cavour ihn forderte, lehnte Garibaldi ab. Er setzte seinen Feldzug vielmehr nach der Überquerung der Straße von Messina am 18. August auf dem Festland fort und zog am 7. September unter dem Jubel der Einwohner in Neapel ein. König Franz II., der im Jahr zuvor seinem verstorbenem Vater, Ferdinand II., auf dem Thron gefolgt war, hatte sich zuvor mit seinen Truppen ins befestigte Gaeta begeben, die Hauptstadt des Königreichs beider Sizilien also kampflos geräumt.
    Die Vermutung lag nahe, daß Garibaldi sich mit einem Sieg über die napolitanische Bourbonenherrschaft nicht begnügen, sondern als nächstes die Eroberung des Kirchenstaates in Angriff nehmen würde. Wenn er erst Rom eingenommen hatte, konnte er sich seinem eigentlichen Ziel zuwenden: der Errichtung einer italienischen Republik unter seiner Führung. In diese Richtung drängte ihn auch Giuseppe Mazzini, der sein englisches Exil, wie schon im Vorjahr, vorübergehend verlassen hatte und sich seit dem 17. September in Neapel aufhielt. Cavour war fest entschlossen, es soweit nicht kommen zu lassen. Von einem Einfall in die weltlichen Besitzungen des Papstes hatte er bereits Agostino Bertani, einen Anhänger Mazzinis, abgehalten. Ende August entschloß er sich, um Garibaldi zuvorzukommen, piemontesische Truppen in den Kirchenstaat einmarschieren zu lassen. Mit Napoleon III. verständigte er sich darauf, daß nur Umbrien und die Marken von Piemont annektiert werden sollten, nicht jedoch Rom und Latium, das eigentliche Patrimonium Petri.
    Mitte September 1860 begann die piemontesische Invasion des Kirchenstaates. Nach einem Sieg über die päpstlichen Truppen bei Castelfidardo in der Provinz Ancona wurden in den Marken und Umbrien provisorische Regierungen eingesetzt. Anschließend überschritten die piemontesischen Verbände unter dem Oberbefehl des Königs die Grenze zum Königreich beider Sizilien. Dort brachte Garibaldi Anfang Oktober den zahlenmäßig überlegenen Truppen Franz’ II. am Volturno eine schwere Niederlage bei; der König beider Sizilien verschanzte sich mit einem Teil seiner Armee in Gaeta, das erst im Februar 1861 kapitulierte.
    Viktor Emanuel nutzte seinen Erfolg im Kirchenstaat, um Garibaldi nunmehr offen um die Übergabe seiner diktatorischen Macht an ihn, den legitimen König, aufzufordern. Der republikanische Führer fügte sich. Am 25. Oktober 1860 fand bei Teano jenes legendäre Treffen zwischen dem König und dem Volkshelden statt, bei dem die «Machtübergabe» formell besiegelt wurde. Am 7. November zog Garibaldi ein zweites Mal in Neapel ein – diesmal an der Seite des Königs. In den folgenden Jahren griff Garibaldi noch mehrfach mit spektakulären Aktionen in die italienische Politik ein, aber stets vergeblich. Zwei Versuche, den restlichen Kirchenstaat zu erobern, wurden rasch niedergeschlagen: 1862 von italienischen, 1867 von französischen Truppen. Am 2. Juni 1882 starb Garibaldi im Alter von 74 Jahren am Ort seines selbstgewählten inneren Exils, der Insel Caprera nördlich von Sardinien.
    Den Anschluß von Umbrien, den Marken, Neapel und Sizilien an das Königreich Sardinien-Piemont bestätigten zwischen dem 21. Oktober und dem 5. November 1860 Plebiszite, an denen freilich nur die Oberschicht teilnehmen konnte. Im Februar 1861 trat in Turin das erste italienische Parlament zusammen, gewählt nach einem extrem besitzfreundlichen Zensuswahlrecht, das lediglich zwei von hundert erwachsenen Männern das aktive Wahlrecht einräumte. Die Verfassung des neuen Königreichs Italien war das aktualisierte Grundgesetz des Königreichs Sardinien-Piemont vom 4. März 1848, das politische System also das einer parlamentarischen Monarchie. Am 14. März 1860 nahm Viktor Emanuel II. mit der Billigung des Parlaments den Titel eines «Königs von Italien» an – mit dem halb traditionellen, halb zeitgemäßen Zusatz «durch Gottes Gnaden und durch den Willen des Volkes». Knapp zwei

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