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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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empfunden, sondern von allen, die danach strebten, dem demokratischen Prinzip der Nationalität zum Triumph über das monarchische Prinzip der Legitimität zu verhelfen. Die Italiener hatten das Doppelziel ihrer Revolution von 1848, Einheit und Freiheit, weitgehend erreicht, die Deutschen noch nicht. Schon deshalb wurde die Entwicklung auf der Apenninenhalbinsel in keinem Teil Europas mit so viel Aufmerksamkeit verfolgt wie in den Staaten des Deutschen Bundes.[ 6 ]
    Kursänderungen: Die deutschen Großmächte 1859–1862
    In Deutschland führte die Frage, wie sich Preußen und der Deutsche Bund gegenüber dem Krieg in Oberitalien verhalten sollten, zu einer neuen politischen Lagerbildung. Relativ einheitlich argumentierten die kleindeutschen Liberalen, unter ihnen die Historiker Johann Gustav Droysen, Heinrich von Sybel und Georg Waitz. Sie befürworteten eine Unterstützung Österreichs durch Preußen, sofern Wien dem Hohenzollernstaat dafür die militärpolitische Führung im außerösterreichischen Deutschland zugestand. Buntscheckig waren hingegen die Gruppen der unbedingten Befürworter und der entschiedenen Gegner eines preußischen Eingreifens an der Seite Österreichs zusammengesetzt. Auf eine preußisch-österreichische Waffenbrüderschaft drängten preußische Altkonservative wie Leopold und Ludwig von Gerlach, der großdeutsche Demokrat Benedikt Waldeck, die Sozialisten Marx und Engels, der habsburgfeindliche August Ludwig von Rochau und der ehemalige Präsident der deutschen Nationalversammlung, Heinrich von Gagern, der damals vom kleindeutschen ins großdeutsche Lager überwechselte. Eine Wendung gegen Österreich, gegebenenfalls im faktischen Bund mit Frankreich, forderten der Sozialist Ferdinand Lassalle, die «Achtundvierziger»-Demokraten Arnold Ruge und Ludwig Bamberger, der liberale Publizist Konstantin Rößler sowie der preußische Gesandte am Zarenhof, Otto von Bismarck.
    In einem vertraulichen Brief an den Generaladjutanten des Prinzregenten, Gustav von Alvensleben, machte Bismarck am 5. Mai 1859 deutlich, was er für die richtige Politik hielt: Preußen sollte den «Krieg Österreichs mit Frankreich sich scharf einfressen lassen, und dann mit unseren ganzen Armeen nach Süden aufbrechen, die Grenzpfähle im Tornister mitnehmen und sie entweder am Bodensee oder da, wo das protestantische Bekenntnis aufhört vorzuwiegen, wieder einschlagen.» Die von Preußen «in Besitz» genommenen Deutschen würden sich, so meinte Bismarck, anschließend gern «für uns» schlagen, «besonders wenn der Prinzregent ihnen den Gefallen tut, das Königreich Preußen in Königreich Deutschland umzutaufen».
    Ferdinand Lassalle, 1825 als Sohn eines jüdischen Kaufmannes in Breslau geboren, von Fichte mehr noch als von Hegel geprägt, 1848 ein Gefolgsmann von Marx und nach Verbüßung einer Gefängnisstrafe wegen Aufforderung zum Widerstand gegen Staatsbeamte als freier Publizist tätig, äußerte sich in seiner Flugschrift «Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens. Eine Stimme aus der Demokratie» ganz ähnlich. Österreich verkörpere das «reaktionäre Prinzip», während Napoleon III. immerhin genötigt sei, sein Regiment auf demokratische Prinzipien wie das allgemeine Stimmrecht zu stützen. Preußen sei zur Zeit zwar nicht zu einer Politik im Stil Friedrichs des Großen, nämlich der Eroberung der deutschen Länder Österreichs und der Proklamation des deutschen Kaisertums, fähig, aber es könne doch Ruhm an seine Fahnen heften: «Revidiert Napoleon die europäische Karte nach dem Prinzip der Nationalitäten im Süden, gut, so tun wir dasselbe im Norden. Befreit Napoleon Italien, gut, so nehmen wir Schleswig-Holstein!»
    Eine diametral entgegengesetzte Position bezogen Karl Marx und Friedrich Engels. Aus ihrer Sicht stand kein Regime in solchem Maß der Revolution im Wege wie das Napoleons III. Also war es ein revolutionäres Interesse, den Kaiser der Franzosen zu schlagen oder wenigstens zu schwächen. Engels rief darum in seiner im April 1859 veröffentlichen Broschüre «Po und Rhein» dazu auf, dem Feind zu schaden und keine moralischen Reflexionen darüber anzustellen, «ob das mit der ewigen Gerechtigkeit und dem Nationalitätsprinzip vereinbar ist. Man wehrt sich eben seiner Haut.» War Deutschland erst einmal geeinigt, konnte es immer noch auf den «ganzen italienischen Plunder» verzichten.
    Was die deutsche Großmacht Preußen während des Krieges von 1859 tat oder vielmehr nicht tat,

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