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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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an den Waffen, die die Aufständischen noch von der Regierung Cavour erhalten hatten. Zum anderen zeigte sich, daß Österreich mit seinem Drängen auf Herstellung der früheren Zustände isoliert war. England unterstützte die Liberalen in der Toskana und den ehedem päpstlichen Gebieten, und nach einigem Zögern schloß sich Napoleon III. der britischen Position an. Sein Kalkül war klar: Da Venetien bei Österreich verblieben war, hatte er bislang nicht die Möglichkeit gehabt, Piemont zur Abtretung von Nizza und Savoyen zu bewegen. In den Besitz dieser Gebiete konnte er nur gelangen, wenn er im Gegenzug die Angliederung großer Teile Mittelitaliens an Piemont duldete.
    Auf ebendieses Geschäft ließ sich Cavour, der im Januar 1860 wieder das Amt des Ministerpräsidenten übernommen hatte, wenn auch widerstrebend, ein. Im März 1860 schloß er einen geheimen Vertrag mit Napoleon III. ab, in dem das Königreich Sardinien-Piemont Frankreich die Abtretung von Nizza und Savoyen zusicherte. Napoleon III. erklärte sich seinerseits damit einverstanden, daß in der Romagna, der Toskana sowie in Parma und Modena Plebiszite stattfanden, die dann erwartungsgemäß große Mehrheiten für den Anschluß an Piemont erbrachten. Aus den ersten Parlamentswahlen des erweiterten Königreiches, die unmittelbar darauf, noch im März 1860, abgehalten wurden, gingen die Società Nazionale und die 1859 gegründete Unione liberale, zwei Cavour freundlich gesinnte Gruppierungen, als eindeutige Sieger hervor. Das neue Parlament mußte sogleich der Abtretung von Savoyen und Nizza an Frankreich zustimmen, was gegen den heftigen Protest Garibaldis und anderer Sprecher der linken wie der konservativen Opposition geschah. Die Plebiszite, die in beiden Gebieten dem Herrschaftswechsel den Schein einer demokratischen Legitimation verschaffen sollten, fanden im April 1860 statt und zeitigten die gewünschten Ergebnisse. In Nizza war dabei sehr viel stärkerer Druck des französischen Militärs erforderlich als in Savoyen, wo es seit langem eine verbreitete Neigung zur Anlehnung an Frankreich gab.
    Ein Dreivierteljahr nach der Beendigung des piemontesisch-französisch-österreichischen Krieges war das Königreich Sardinien-Piemont sehr viel größer, als es der Präliminarfriede von Villafranca vorgesehen hatte. Es umfaßte ganz Oberitalien außer Venetien und Mittelitalien außer den Marken, Umbrien und Latium. Die Expansion Piemonts war das Ergebnis des Ineinandergreifens einer Revolution von oben, für die Cavour stand, und einer Revolution von unten, die sich in den regionalen Aufständen gegen die bisherigen Regime äußerte. Das vermittelnde Element war die Società Nazionale, die auch die Plebiszite vom März 1860 organisierte. Mit der anschließenden Parlamentswahl endete eine kurze Phase, in der in Piemont der König das parlamentarische System suspendiert und in Mittelitalien regionale «Diktatoren» wie Ricasoli und Farini das Sagen gehabt hatten.
    Ihrem Ziel, der Errichtung eines freiheitlichen Nationalstaates, war die italienische Nationalbewegung im Frühjahr 1860 ein gutes Stück näher gekommen, aber erreicht war es noch längst nicht. In dieser Übergangssituation wurde der überzeugte Republikaner Giuseppe Garibaldi zum Führer derer, die auf die rasche Vollendung des Einigungswerkes drängten. Von sizilianischen Aufständischen um Hilfe gebeten, brach er am 6. Mai 1860 in Genua an der Spitze einer Freiwilligentruppe auf dem Seeweg nach Süden auf. So begann jener mythenumwobene «Zug der Tausend», der eine neue Phase des Kampfes um die italienische Einheit einleitete. Anders als in Mittelitalien war diesmal nicht Cavour die treibende Kraft im Hintergrund. Garibaldi stand für das, was der Ministerpräsident fürchtete und darum verhindern wollte: eine unkontrollierbare nationale Revolution von unten, die Fragen der Staatsräson beiseite schob und statt dessen an den vermeintlich gesunden Instinkt des einfachen Volkes appellierte. König Viktor Emanuel II. empfand hingegen eine gewisse Sympathie für das Unternehmen Garibaldis – und das schon deshalb, weil dieser sich als schärfster Gegner der Abtretung von Nizza und Savoyen hervorgetan hatte, mit der auch der Monarch noch innerlich haderte.
    In Sizilien angekommen, erklärte sich Garibaldi zum Diktator der Insel, wobei er behauptete, im Namen König Viktor Emanuels zu handeln. Die Zahl der Freiwilligen, die ihn im Kampf gegen das Bourbonenregime in Neapel unterstützten, wuchs

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