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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Sohn, Erbprinz Friedrich, der 1852 bereits volljährig gewesen war und sich die Verzichtserklärung seines Vaters weder damals noch später zu eigen gemacht hatte. Als dieser unmittelbar darauf bekanntgab, daß er als Herzog Friedrich VIII. die Herrschaft angetreten habe, ging ein Sturm der Begeisterung durch Deutschland, der die Anhänger des kleindeutschen Nationalvereins wie die des im Oktober 1862 gegründeten großdeutschen Reformvereins gleichermaßen erfaßte. Eine Versammlung von fast 500 Abgeordneten aus ganz Deutschland erklärte im Dezember in Frankfurt die Sache des Augustenburgers zur Sache der deutschen Nationalbewegung und setzte einen Ausschuß von 36 Vertrauensmännern ein, der die Aktivitäten der nun überall entstehenden Schleswig-Holstein-Vereine koordinieren und Kundgebungen sowie Geldsammlungen zugunsten des Augustenburgers organisieren sollte.
    Auf die Seite von Friedrich von Augustenburg stellten sich auch die meisten Mittelstaaten, nicht jedoch Preußen und Österreich. Die beiden Großmächte verlangten eine Rückkehr zum Londoner Protokoll, also die Wiederherstellung der völkerrechtlichen Legitimität, was eine Unterstützung der Erbansprüche des Augustenburgers ausschloß und eine Intervention anderer Mächte zumindest unwahrscheinlich machte. Damit waren die Würfel gefallen: Am 7. Dezember 1863 kam im Bundestag eine knappe Mehrheit für den von Wien und Berlin beantragten Vollzug der Bundesexekution gegen Holstein zustande.
    Nachdem Bundestruppen in Holstein einmarschiert waren, forderten Österreich und Preußen am 16. Januar 1864 Dänemark ultimativ auf, die Gesamtstaatsverfassung zurückzunehmen, widrigenfalls Schleswig als Pfand genommen werden sollte. Als Kopenhagen die Forderung ablehnte, begann der Krieg. Am 18. April 1864 stürmten preußische Truppen die Düppeler Schanzen im Norden Schleswigs und fügten Dänemark damit eine schwere Niederlage bei. Eine Woche später begann in London eine europäische Konferenz. Von den dort erörterten Kompromißvorschlägen fand keiner allgemeine Zustimmung: weder der Gedanke einer bloßen Personalunion zwischen Dänemark und den beiden Herzogtümern noch die Teilung Schleswigs nach dem Nationalitätsprinzip. Als die Konferenz am 25. Juni zu Ende ging, hatte das Londoner Protokoll von 1852 seine politische Bedeutung gänzlich eingebüßt.
    Tags darauf lief ein im Mai vereinbarter Waffenstillstand ab. Preußen und Österreich gingen sofort wieder zum Angriff über, eroberten ganz Jütland und die Insel Alsen und zwangen damit Dänemark zur Bitte um Waffenstillstand und Frieden. Am 1. August 1864 wurde der Vorfriede, am 30. Oktober der endgültige Friede in Wien unterzeichnet. Darin verzichtete der König von Dänemark auf alle seine Rechte in Schleswig, Holstein und Lauenburg zugunsten des Kaisers von Österreich und des Königs von Preußen. Außerdem verpflichtete er sich, die Entscheidungen der beiden Großmächte über die Zukunft der Elbherzogtümer anzuerkennen.
    Die Ansprüche des Augustenburgers fanden im Wiener Frieden keine Erwähnung. Auf Drängen Sachsens hatten sich zwar Österreich und schließlich auch Preußen auf der Londoner Konferenz für diese Ansprüche eingesetzt, aber seit einer Unterredung mit dem preußischen Ministerpräsidenten wußte der Thronanwärter, daß Bismarck ein Schleswig-Holstein unter dem Augustenburger allenfalls als preußisches Protektorat, unter der Bedingung der Abtretung umfassender militärischer Rechte, darunter einer preußischen Flottenstation in Kiel, einer Bundesfestung in Rendsburg und des gemeinsamen Baus eines Nord-Ostsee-Kanals, anerkennen wollte. Da Friedrich nicht ohne weiteres bereit war, auf dieses Ansinnen einzugehen, war für Bismarck das augustenburgische Projekt erst einmal erledigt. Der Wiener Friede ließ die staatsrechtliche Zukunft Schleswig-Holsteins offen. Er schuf ein österreichisch-preußisches Kondominium, das, wie die Dinge lagen, nur ein Provisorium sein konnte.
    Für den preußischen Liberalismus führte der Streit um die Zukunft Schleswig-Holsteins zu einer Zerreißprobe. Zunächst hatte sich fast die gesamte Fortschrittspartei, mit besonderer Entschiedenheit die Demokraten um Hermann Schulze-Delitzsch, hinter den Augustenburger gestellt; nur eine kleine Minderheit um den großpreußischen Demokraten Benedikt Waldeck zog die Angliederung der Herzogtümer an Preußen der Schaffung eines neuen Mittelstaates vor. Die preußischen Siege aber hatten ein Umdenken auf dem

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