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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Preußen auf Grund der Londoner Verträge seine Garnison aus dem Großherzogtum abziehen mußte. Der neuerlichen Demütigung durch Bismarck folgte im Monat darauf das furchtbare Ende des mexikanischen Abenteuers: die Erschießung Kaiser Maximilians auf Befehl von Benito Juarez am 19. Juni 1867. Die republikanische Opposition fühlte sich auf grausame Weise bestätigt in ihrer Einschätzung, daß die Einmischung in die innenpolitischen Wirren des mittelamerikanischen Staates ein Fehler, ja der bisher schwerste außenpolitische Fehler des Kaisers gewesen war.
    Einen bescheidenen und zugleich höchst umstrittenen Ausgleich für die außenpolitischen Niederlagen von 1866/67 schuf der letzte militärische Erfolg des Zweiten Kaiserreichs: Am 3. November 1867 schlugen französische Truppen bei Mentana in der Nähe von Rom die Freischärler Garibaldis, die in den Kirchenstaat eingedrungen waren, um Rom für Italien zu annektieren. Ende 1866 hatte Napoleon III., entsprechend einer Konvention mit dem Königreich Italien vom September 1864, die französische Garnison aus Rom abgezogen; nach der Aktion Garibaldis kehrte eine kleine Besatzung zurück. Ein größerer französisch-italienischer Konflikt wurde im Herbst 1867 nochmals vermieden: Das Königreich Italien zog reguläre Truppen, die nach Garibaldis Freischärler in den Kirchenstaat einmarschiert waren, auf Grund des französischen Eingreifens rasch wieder ab. Der innenpolitische Nutzen der Intervention in Rom war allerdings fragwürdig: Mochten die Katholiken der Aktion auch zustimmen, so war das antiklerikale Frankreich empört über die Bütteldienste, die Napoleon III. wieder einmal dem Papst erwiesen hatte.
    Zwei Jahre später, im November 1869, fand ein ebenso ehrgeiziges wie prestigeträchtiges Projekt, dessen Anfänge in die fünfziger Jahre zurückreichten, seinen krönenden Abschluß: Der Suez-Kanal wurde feierlich eröffnet. Die Aktienmehrheit der Suez-Kanal-Gesellschaft lag seit 1858 in französischen Händen; der Präsident der Gesellschaft und eigentliche Initiator des Vorhabens, der Ingenieur Ferdinand de Lesseps, der 1854 vom ägyptischen Vizekönig die Konzession für den Bau und Betrieb des Kanals erhalten hatte, war Franzose. England verfolgte das französische Engagement mit starkem Mißtrauen, fand aber den britisch-französischen Freihandelsvertrag vom Januar 1860, den sogenannten «Cobden-Vertrag», zu wichtig, um es über dem Suez-Kanal zu einem ernsten Konflikt mit Frankreich kommen zu lassen. Der Kanal selbst lag vor allem im britischen Interesse: Durch die Schiffahrtsverbindung zwischen Mittelmeer und Rotem Meer wurde der Seeweg nach Indien, der bisher um Afrika herumgeführt hatte, gewaltig verkürzt.
    Der Cobden-Vertrag, der die Vollendung des Suez-Kanals erst ermöglichte, stand für die Modernisierungspolitik des Second Empire. Der Bruch mit dem überkommenen Schutzzollsystem setzte die französische Industrie unter scharfen Wettbewerbsdruck und half, sie leistungsfähiger zu machen. Für zunehmende Beschäftigung in Industriebetrieben sorgten Staatsaufträge, vor allem beim Eisenbahnbau: Das Streckennetz wuchs von 3552 Kilometer im Jahre 1851 auf 17.500 Kilometer im Jahre 1870. Banken wie der 1852 von den Brüdern émile und Isaac Pereire gegründete Crédit Mobilier, die eng mit dem Staat zusammenarbeiteten, stellten auf dem Anleiheweg die notwendigen Gelder zur Verfügung. Träger der Industrialisierung waren nicht nur größere, sondern auch viele kleine Unternehmen. Das galt im besonderen für das Baugewerbe, den größten Gewinner des «Booms» der fünfziger und frühen sechziger Jahre. Aber auch in anderen, eher traditionellen Gewerbezweigen überwog der Typ des Familienbetriebs. 1851 kamen auf 100 Unternehmer 127 Arbeiter, 1866 waren es 144 Arbeiter. Auch um 1870 wurden im handwerklich geprägten Gewerbe 70 Prozent der französischen Industrieproduktion erzeugt. 1866 waren von den 4,2 Millionen Beschäftigten in Handwerk und Industrie 2,9 Millionen Arbeiter und 1,3 Millionen Selbständige.
    Den Arbeitern galt das persönliche Interesse Napoleons III., seit er im Gefängnis von Ham 1844 seine Schrift zur Auslöschung des Pauperismus zu Papier gebracht hatte. Die meisten seiner sozialpolitischen Vorhaben scheiterten oder zeitigten nicht die erhofften Ergebnisse, so auch die «Sociétés de Secours mutuel»: Krankenkassen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruhten, durch Spenden gefördert wurden, aber im wesentlichen von den

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