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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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der Mitglieder aus den einzelnen Staaten der jeweiligen Einwohnerzahl entsprach; im Senat hingegen wurde jeder Staat durch eine gleich große Zahl von Mitgliedern, nämlich zwei, repräsentiert, die auf sechs Jahre von der gesetzgebenden Körperschaft des Staats gewählt wurden, und zwar so, daß alle zwei Jahre ein Drittel der Sitze neu zu besetzen war.
    Leidenschaftlich umstritten war in diesem Zusammenhang die Frage, wie die Einwohnerzahlen ermittelt werden sollten. Die südlichen Sklavenhalterstaaten bestanden darauf, daß auch die Sklaven, obwohl sie kein Wahlrecht besaßen, berücksichtigt wurden. Ein Verbot der Sklaverei kam nicht in Frage, weil andernfalls die betroffenen Staaten die Union verlassen hätten. Gegen eine indirekte Vertretung der schwarzen Sklaven durch weiße Abgeordnete gab es aber erhebliche Opposition aus den nördlichen Staaten. Am Ende stand auch hier ein Kompromiß: Fünf Sklaven galten bei der Sitzverteilung so viel wie drei Weiße. Die nicht besteuerten Indianer hingegen wurden bei der Ermittlung der Einwohnerzahl nicht berücksichtigt.
    Die Gegner der Sklaverei konnten nicht einmal ein Verbot des Sklavenhandels durchsetzen, obwohl ein solches auch im Süden Befürworter fand. Zwei Staaten, South Carolina und Georgia, leisteten aber so hartnäckigen Widerstand, daß der Konvent sich schließlich darauf festlegte, für die Dauer von zwei Jahrzehnten, bis zum Jahr 1808, am bestehenden Zustand nichts zu ändern. Lediglich einen Einfuhrzoll von nicht mehr als 10 Dollar je Sklaven durfte die Union erheben.
    Während die gesetzgebende Gewalt von zwei Kammern ausgeübt wurde, lag die vollziehende Gewalt ganz in den Händen einer Person: des Präsidenten der Vereinigten Staaten, der sein Mandat von der wahlberechtigten Bevölkerung, wenn auch indirekt, über ein Wahlmännergremium, erhielt. Der Präsident mußte zwar «von Zeit zu Zeit» dem Kongreß über die Lage der Union berichten und Maßnahmen zur Beratung empfehlen, die er für notwendig und nützlich erachtete. Aber verantwortlich war er dem Kongreß nicht. Der Konvent folgte damit einem Verständnis von Gewaltenteilung, das eher Montesquieus Vorstellung von der englischen Verfassung als der englischen Verfassungswirklichkeit im 18. Jahrhundert entsprach. Anders als in Großbritannien war die vollziehende Gewalt nicht in den Händen des Führers der parlamentarischen Mehrheit, sondern von dieser prinzipiell unabhängig. Der Präsident konnte gegen Gesetzesvorlagen nach ihrer Verabschiedung durch Repräsentantenhaus und Senat ein suspensives Veto einlegen. Es wurde dann hinfällig, wenn die Kammer, die das Gesetz eingebracht hatte, mit Zweidrittelmehrheit die Aufhebung des Vetos verlangte und die andere Kammer sich diesem Votum mit der gleichen qualifizierten Mehrheit anschloß.
    Der Präsident war Oberbefehlshaber der Armee und der Flotte der Vereinigten Staaten wie der Miliz der Einzelstaaten. Er ernannte mit Zustimmung von zwei Dritteln der anwesenden Senatsmitglieder Botschafter, Gesandte und Konsuln, die Mitglieder des Obersten Gerichtshofes und die höheren Beamten. Auf Anraten und mit Zustimmung des Senats durfte er Verträge mit auswärtigen Mächten schließen, vorausgesetzt, daß zwei Drittel der anwesenden Senatoren zustimmten. Der Senat war auch das Verfassungsorgan, das über eine Anklage gegen den Präsidenten, ein «Impeachment», zu entscheiden hatte, wenn das Repräsentantenhaus ein solches Verfahren beantragte. In diesem Fall tagte der Senat nicht wie sonst unter Vorsitz des Vizepräsidenten der Vereinigten Staaten, sondern unter dem des Obersten Richters des Obersten Gerichtshofes, des höchsten Organs der dritten, der rechtsprechenden Gewalt.
    Die Gesetzgebungsbereiche, für die der Kongreß zuständig war, wurden im Entwurf des Konvents im einzelnen aufgeführt: Die Erhebung einheitlicher Steuern und Zölle, der Handel mit fremden Völkern, zwischen den Einzelstaaten und mit Indianerstämmen, das Recht der Kriegserklärung und der Aufstellung einer Armee und einer Flotte gehörten ebenso dazu wie die Währungshoheit und die Kreditaufnahme auf Rechnung der Vereinigten Staaten. Wofür die Union nicht zuständig war, blieb Angelegenheit der Staaten. Die Art und Weise, wie die einzelstaatlichen Verfassungen das Wahlrecht für die Wahl der jeweiligen Volksvertretung regelten, war auch maßgeblich für die Wahl des Repräsentantenhauses der Vereinigten Staaten. Es galten also unterschiedliche Formen von Zensuswahlrecht.

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