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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Wahlsieges die Wiederherstellung ihrer Unabhängigkeit versprochen. Den Krieg in Afghanistan beendete die neue Regierung im Frühjahr 1880, kurz nach der Eroberung von Kandahar, durch den Abzug der britischen Truppen. Die Annektierung von Transvaal aber ging weiter, wodurch sich das Verhältnis von Briten und Buren weiter verschlechterte. Erst im August 1880 berief der Premierminister Sir Bartle Frere, den Hauptverantwortlichen des Krieges, als Gouverneur der Kapkolonie und Hohen Kommissar für Südafrika ab. Die Projekte einer Selbstregierung der Zulus und einer Südafrikanischen Föderation aber mußte er zu den Akten legen. Anfang 1881 erhoben sich die Buren von Transvaal gegen die britische Herrschaft; bei Majuba Hill schlugen sie Ende Februar die Truppen des Gouverneurs von Natal, Sir George Colley, der dabei selbst fiel. In der Konvention von Pretoria erhielt Transvaal im August 1881 seine Unabhängigkeit zurück – eingeschränkt durch die britische Oberhoheit auf dem Gebiet der Außenpolitik. Drei Jahre später wurde diese Klausel fallen gelassen.
    Die konservative Opposition reagierte empört auf das Zurückweichen der Regierung in Afghanistan und Südafrika. Gladstone sah sich Angriffen ausgesetzt, die nicht weniger scharf waren als seine eigenen Attacken auf die Außenpolitik Disraelis: Hatte er vor 1880 dem konservativen Premierminister leichtfertiges Prestige- und Machtstreben vorgehalten, mußte er sich jetzt des Vorwurfs erwehren, er schwäche und gefährde durch seine betont unkriegerische Politik das britische Empire. Intern äußerte sich auch die Queen in diesem Sinne. Gladstone blieb die Antwort nicht schuldig. Die Konservativen, so erklärte er am 7. Oktober 1881 in Leeds, hätten den «fairen Namen Englands» besudelt. «Und deswegen sage ich Ihnen, meine Herren, daß wir, während wir gegen den Imperialismus sind, dem Empire treu ergeben sind» (that while we are opposed to imperalism, we are devoted to the Empire).
    In der Innenpolitik packte Gladstone die Reformen an, denen sich die Tories sechs Jahre lang verweigert hatten. Die Tatsache, daß die Irish National Party unter ihrem charismatischen Führer Charles Stewart Parnell mit 65 Abgeordneten, sechs mehr als 1874, gestärkt ins Unterhaus gelangt war, unterstrich die Dringlichkeit der irischen Frage. Der Fall der Agrarpreise seit 1877 hatte die soziale Lage der irischen Pächter dramatisch verschlechtert; fortgesetzte politische Morde und Attentate gaben Anlaß, die Situation in Irland als explosiv, ja als revolutionär einzuschätzen. Die liberale Regierung kam nicht umhin, auf die Zwangsmittel zurückzugreifen, die zwei Sondergesetze, die Coercion Acts von 1881 und 1882, bereitstellten. Nahezu gleichzeitig mit dem ersten Zwangsgesetz legte die Regierung dem Unterhaus den Entwurf eines Landgesetzes vor, das die irischen Pächter in freie Eigentümer verwandelte und sie gegen Wucherzinsen schützen sollte. Aus der Sicht der irischen Nationalisten war der Entwurf, der im August 1881 Gesetzeskraft erlangte, völlig unzureichend. Es bedurfte der Freilassung des (auf Grund des Coercion Act von 1881 festgesetzten) Abgeordneten Parnell aus dem Gefängnis, um im August 1882 mit den Stimmen der Irischen Nationalpartei einem weiteren Landgesetz zur Annahme zu verhelfen: dem Arrears Act, der die Streichung von rückständigen Pachtschulden zahlungsunfähiger Kleinpächter gestattete.
    Die irische Frage war damit noch lange nicht gelöst. Aber bevor Gladstone sich dem Thema «Home Rule» widmen konnte, mußte er, gedrängt von den Radikalen seiner Liberalen Partei um den früheren Bürgermeister von Birmingham und jetzigen Handelsminister Joseph Chamberlain und den stellvertretenden Außenminister Charles Dilke, den Autor von «Greater Britain», einem 1868 erschienenen, außerordentlich erfolgreichen Buch über das Empire, die auch von ihm selbst als notwendig angesehene Wahlrechtsreform auf den Weg bringen. Die radikalen Liberalen bekannten sich zum Prinzip des «one man, one vote», also zum allgemeinen gleichen Wahlrecht für Männer. Die gemäßigten Liberalen oder «Whigs» um den Parteivorsitzenden Lord Hartington und erst recht die Konservativen lehnten diese Forderung ab. Hartington und die Whigs wehrten sich auch gegen die Ausdehnung der Reform auf Irland und gegen eine Neueinteilung der Wahlkreise. In beiden Punkten konnten sie sich nicht durchsetzen. Die Wahlrechtsreform von 1884/85, die erste seit 1867, senkte die Hürden des aktiven

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